Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 09.07.2015 – VII ZR 5/15 – Folgendes entschieden:
Von RA Michael Werner
• § 17 Nr. 8 Abs. 2 VOB/B (2002) ist dahingehend auszulegen, dass der Auftraggeber eine als Sicherheit für Mängelansprüche erhaltene Bürgschaft nach Ablauf der zweijährigen Sicherungszeit nicht (mehr) zurückhalten darf, wenn diese Mängelansprüche verjährt sind und der Auftragnehmer die Einrede der Verjährung erhebt.
Ein Auftraggeber (AG) beauftragte einen Bauunternehmer (AN) im September 2004 mit der Anbringung von Fassadenelementen beim Neubau eines Bürogebäudes; die VOB/B war vereinbart. Im Bauvertrag hieß es u.a.: „Sicherheitseinbehalt auf Abschlagszahlung von 10 % der Bruttosumme. 5 % werden ausgezahlt nach Abnahme. 5 % werden gegen Vorlage einer unbefristeten Bürgschaft (Gewährleistung) ausgezahlt. Die Gewährleistung ist geregelt nach VOB, 5 Jahre…“ Die Abnahme der Werkleistung erfolgte am 30.11.2005. In mehreren Schreiben von Februar, März und November 2009 hatte der AG mangelhaften Schallschutz gerügt. Im Jahr 2014 klagte der AN die Rückgabe der gestellten Gewährleistungsbürgschaft über EUR 13.000 ein.
Der BGH gibt hier dem AN Recht. Der AN könne vom AG die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde gemäß § 17 Nr. 8 Abs. 2 Satz 1 VOB/B (2002) fordern, sofern kein anderer Rückgabezeitpunkt vereinbart worden sei; die Parteien hätten hier einen solchen abweichenden Rückgabezeitpunkt nicht vereinbart. Der AG sei daher nicht mehr berechtigt, die Bürgschaftsurkunde zurückzuhalten, nachdem die zweijährige Sicherungszeit abgelaufen sei und der AN sich auf die eingetretene Verjährung der Mängelansprüche berufen habe. Nach Wegfall des Sicherungszwecks sei eine als Sicherheit für Mängelansprüche erhaltene Bürgschaft regelmäßig zurückzugeben. Die Sicherheitsabrede entscheide darüber, wie weit der Sicherungszweck gehe und ob er entfallen sei. Hierzu sei in § 17 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B geregelt, dass ein solche Sicherheit dazu diene, die Mängelansprüche sicherzustellen. Da Mängel von Bauleistungen häufig im Zeitpunkt der Abnahme noch nicht erkennbar seien, diene eine derartige Sicherheit zunächst auch und gerade der Sicherung von später erkennbaren Mängelansprüchen. Der Zweck entfalle aber regelmäßig, wenn Mängelansprüche jedenfalls nicht mehr durchsetzbar seien, weil Verjährung eingetreten sei (§ 214 Abs. 1 BGB). Denn die Vereinbarung einer Sicherheitsleistung durch Bürgschaft zur Sicherstellung von Mängelansprüchen könne ohne besondere Abrede nicht dahin verstanden werden, dass der AG hieraus weitergehende Rechte haben solle als er sie gegen den AN auch sonst rechtlich durchsetzen könnte. So soll eine solche Bürgschaft regelmäßig absichern, dass der AG mit seinen auf Geldzahlung gerichteten Mängelansprüchen nicht ausfalle; das setze aber Ansprüche voraus, denen keine dauerhafte Einrede entgegenstehe. Auch aus § 17 Nr. 8 Abs. 2 Satz 2 VOB/B folge nichts Anderes. Diese Bestimmung erweitere den Sicherungszweck nicht dahin, dass auch verjährte Mängelansprüche gesichert seien, wenn der AN die Einrede der Verjährung erhebe. § 17 Nr. 8 Abs. 2 Satz 1 VOB/B bestimme vielmehr, dass die Sicherheit regelmäßig bereits nach zwei Jahren und damit wesentlich früher zurückzugeben sei, als die Mängelansprüche verjähren.
RA Michael Werner
Partner in der Kanzlei ZIRNGIBL LANGWIESER Rechtsanwälte Partnerschaft mbB
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Anmerkung: Zu einer früheren, heute nicht mehr geltenden Fassung von § 17 Nr. 8 VOB/B hatte der BGH noch entschieden, dass eine Gewährleistungsbürgschaft auch verjährte Ansprüche sichert, wenn die Mängel in unverjährter Zeit gerügt wurden. Diese Rechtsprechung gilt – nach ausdrücklichem Hinweis des BGH in der o.g. Entscheidung – heute nicht mehr. Daher kann die damalige Rechtsprechung des BGH zur Begründung einer anderen Auslegung des § 17 Nr. 8 Abs. 2 VOB/B (2002) auch nicht mehr herangezogen werden. Während der alte § 17 Nr. 8 VOB/A die Verpflichtung zur Rückgabe durch die Formulierung „spätestens nach Ablauf der Verjährungsfrist für die Gewährleistung“ ausdrücklich an den Ablauf dieser Verjährungsfrist knüpfte, ist dies beim heute geltenden § 17 Nr. 8 Abs. 2 VOB/B (2002) anders, wie sich aus den o.g. Ausführungen des BGH ergibt.
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