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Zur Aufhebung einer Ausschreibung wegen fehlender Haushaltsmittel

17.05.2013

Die Vergabekammer (VK) Arnsberg hat mit Beschluss vom 13. Februar 2013 – VK 20/12 – folgendes entschieden:

Fehlende Haushaltsmittel können ein schwerwiegender Grund im Sinne des § 97 Abs. 7 GWB i.V.m. § 17 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A sein, wenn nicht absehbar ist, wann und in welcher Höhe weiter Mittel zur Verfügung stehen werden und welche Änderungen erforderlich sein werden.

Der Auftraggeber (AG) war als teilrechtsfähiges Sondervermögen des Landes Nordrhein-Westfalen mit dem Neubau eines Justizzentrums beauftragt. Im Januar 2011 hatte der AG die Rohbauleistungen im Offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Ein Bauunternehmen hatte als Bieter (B) das preislich günstigste Angebot abgegeben. Der AG hob im Januar 2012 das Verfahren mit der Begründung der Gefährdung der verbindlichen Kostenobergrenze auf, da die Kostenschätzung allein für den Rohbau um ca. 30% überschritten sei. Der Bieter B rügte die Aufhebung erfolglos als rechtswidrig, sah aber von einem Nachprüfungsantrag ab. Im November 2012 hatte der Auftraggeber die Rohbauleistungen ohne wesentliche Änderungen erneut ausgeschrieben, mit dem Argument, dass der Kostendeckel zwischenzeitlich angehoben worden sei. Bieter B rügte nach Anforderung der Unterlagen die Rechtswidrigkeit der damaligen Aufhebung und stellte nach Zurückweisung seiner Rüge einen Nachprüfungsantrag zur VK.

Die VK weist den Antrag bereits als unzulässig gemäß § 107 Abs. 3 Satz Nr. 4 GWB zurück. B hätte schon nach seiner ersten Rüge einen Nachprüfungsantrag stellen müssen. Gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB sei ein Antrag auf Nachprüfung in einem Vergabeverfahren unzulässig, wenn mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des AG, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen seien. Darüber hinaus sei der Antrag jedoch auch unbegründet. Es sei für den AG nicht voraussehbar gewesen, dass er die fehlenden Mittel von dessen Auftraggeber freigegeben bekomme.

Für die für eine Scheinaufhebung charakteristische Diskriminierungsabsicht gebe es hier keine Anhaltspunkte. Der AG habe insbesondere im Zeitpunkt der Aufhebung nicht vorhersehen können, ob und wie schnell er Änderungsentscheidungen seitens seines Auftraggebers bekommen würde. Im vorliegenden Falle habe es immerhin ca. 10 Monate gedauert, bis der AG erneut ausschreiben konnte. Eine 10-monatige oder längere Bindefristverlängerung hätte die Bieter an ihre Angebote als Festpreisangebote gebunden, ohne ihnen Gelegenheit zur Anpassung ihrer Kalkulationen zu geben. Eine Regelung allein über Bindefristverlängerungen und Nachträge hätte bei dieser unkalkulierbaren zeitlichen Situation auch für den AG ein nicht mehr vertretbares Risiko bedeutet. Mit Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH erläutert die VK, dass für die Annahme eines schwerwiegenden Grundes i.S.v. § 17 EG Abs 1 Nr. 3 VOB/A regelmäßig das Ausschreibungsergebnis erheblich über dem geschätzten Auftragswert liegen müsse. Dabei gebe es keine allgemeinverbindlichen Werte nach Höhe oder Prozentsätzen. Hier habe das Ergebnis ca. 30% über der Kostenschätzung gelegen, so dass die bisher anerkannten Höhen für die Annahme eines schwerwiegenden Grundes nicht erreicht worden seien. Die vom BGH geforderte - alle Umstände des Einzelfalls einbeziehende - Interessensabwägung ergebe hier jedoch, dass die Aufhebung berechtigt gewesen sei. Der Auftraggeber dürfe nicht gezwungen werden, Aufträge außerhalb des von ihm zu verantwortenden Budgets in Auftrag zu geben. Andererseits dürfe die Aufhebung nicht zu einem für die Vergabestellen latent verfügbaren Korrekturinstrument werden. Hier sei zu berücksichtigen gewesen, dass das Angebot des B das Mindestgebot war und Zweifel an der Hochrechnung der Überschreitung der bisherigen Kostenschätzung und ihrer Auswirkungen auf das Projekt nicht bestanden. Die konkrete Kostenüberschreitung von ca. 30 % beim zentralen Gewerk „Rohbau“ habe das Projekt daher im Ganzen infragegestellt, d. h. es bedurfte einer Neuentscheidung. Die nachträgliche Freigabe der fehlenden Mittel durch den Auftraggeber des AG ändere an der Rechtmäßigkeit der Aufhebung letztlich nichts.

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Anmerkung:
Im Ergebnis stellt die VK fest, dass der öffentliche Auftraggeber bei nicht mehr ausreichenden Haushaltsmitteln die Ausschreibung sanktionslos aufheben darf. Voraussetzung ist jedoch eine genaue und sorgfältig ermittelte Kostenschätzung seitens des AG. Auftraggebern ist daher zu raten, vor Ausschreibung eine sorgfältige Kostenschätzung durchzuführen und diese auch entsprechend zu dokumentieren.

  Quelle: RA Michael Werner


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