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Zum Ausschluss wegen früherer Schlechterfüllung

04.05.2021

VON RA MICHAEL WERNER

Das OLG München hat mit Beschluss vom 29.01.2021 – Verg 11/20 – u. a. folgendes entschieden:

• Will der Auftraggeber einen Bieter wegen Schlechterfüllung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, hat er den betroffenen Bieter vor einer Ausschlussentscheidung anzuhören.

• Vor einem Ausschluss hat der Auftraggeber zudem eine Prognoseentscheidung dahingehend zu treffen und zu dokumentieren, ob von dem fraglichen Bieter unter Berücksichtigung der festgestellten früheren Schlechtleistung im Hinblick auf die Zukunft zu erwarten ist, dass er den nunmehr zu vergebenden Auftrag nicht gesetzestreu, ordnungsgemäß und sorgfältig ausführen wird.

Ein Schulträger hatte als öffentlicher Auftraggeber (AG) Reinigungsleistungen für ein Gymnasium europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben. Bieter A gab ein Angebot ab; er hatte zuvor in zwei anderen Schulen die Reinigungsleistungen ausgeführt und war vom AG – nach dessen Ansicht wegen mangelhafter bzw. vertragswidriger Leistung – außerordentlich gekündigt worden.

Wegen dieser Schlechtleistungen schloss ihn der AG ohne weitere Anhörung nun vom aktuellen Vergabeverfahren aus. Gegen diese Ausschlussentscheidung beantragte A darauf Nachprüfung zur Vergabekammer (VK), die seinen Antrag zurückwies; dagegen wandte sich A mit sofortiger Beschwerde an das OLG.

Das OLG gibt Bieter A Recht; es hebt die Entscheidung der VK auf und weist den AG an, die Eignung des Bieters A erneut zu prüfen. Denn die Ausschlussentscheidung des AG entspreche nicht den Anforderungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB. So bedürfe es vor einer solchen Entscheidung in aller Regel einer vorherigen Anhörung des betroffenen Bieters, die hier aber nicht erfolgt sei. Gemäß § 124 Abs. 1 GWB komme ein Ausschluss eines Bieters nur unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in Betracht. Daraus folge die Pflicht des Auftraggebers, dem Unternehmen vor seinem Ausschluss rechtliches Gehör zu verschaffen, damit es unter anderem die Möglichkeit erhalte, die Vorwürfe zu widerlegen oder mögliche Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 GWB darzulegen (siehe z.B. EuGH, Urteil vom 03.10.2019, Rs.C-267/18). Zudem sei die vorherige Anhörung auch im Hinblick auf die erforderliche Prognoseentscheidung von erheblicher Bedeutung.

Denn der AG habe vor einem Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB eine Prognoseentscheidung dahingehend zu treffen und zu dokumentieren, ob von dem fraglichen Bieter unter Berücksichtigung der festgestellten früheren Schlechtleistung im Hinblick auf die Zukunft zu erwarten sei, dass er den nunmehr zu vergebenden Auftrag nicht gesetzestreu, ordnungsgemäß und sorgfältig ausführen werde. Aus der Dokumentation müsse mithin ersichtlich sein, dass sich der AG überhaupt mit der Frage befasst habe, ob eine künftige Schlechtleistung zu erwarten sei. Dabei erscheine es durchaus denkbar, dies bereits aus einer festgestellten erheblichen Schlechtleistung in der Vergangenheit abzuleiten, bedürfe dann aber auch einer entsprechenden Dokumentation. Im vorliegenden Fall wäre zudem mit in Betracht zu ziehen, dass mit dem hier konkret zu vergebenden Los nur die Glasreinigung ausgeschrieben sei, die Glasreinigung einerseits und die Grund- und Unterhaltsreinigung andererseits aber unstreitig von unterschiedlichem Personal durchgeführt würden. Die im Nachprüfungsverfahren vom AG vorgetragenen Mängel hätten zwar auch die Glasreinigung, zu einem ganz wesentlichen Teil aber die Unterhalts- und Grundreinigung betroffen. Zudem bedürfe es vor der Prognoseentscheidung der Anhörung des A und einer Einbeziehung des Ergebnisses der Anhörung in die Prognoseentscheidung. Auch dies sei in der Dokumentation niederzulegen. Dass der AG hier vor dem Ausschluss des A eine derartige Prognoseentscheidung getroffen habe, sei jedoch anhand der Dokumentation nicht ersichtlich.

Der Ausschluss eines Bieters nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB liege im Ermessen des Auftraggebers. Die Ermessensentscheidung sei von den Nachprüfungsinstanzen allerdings nur daraufhin zu überprüfen, ob das Ermessen überhaupt ausgeübt worden sei (Ermessensausfall), ob eine Maßnahme getroffen wurde, die sich nicht mehr in dem durch die Ermächtigungsnorm abgesteckten Rahmen halte (Ermessensüberschreitung) und ob eine Ermessensfehlgebrauch vorliege. Dies sei der Fall, wenn der öffentliche Auftraggeber relevante Aspekte nicht berücksichtige, sich auf sachfremde Erwägungen stütze oder Aspekten ein Gewicht beimesse, das ihnen nicht zukomme. Hier berücksichtige die im ursprünglichen und im ergänzten Vergabevermerk dokumentierte Ermessensausübung wesentliche Aspekte nicht. Zum einen habe A unstreitig in den beiden anderen Schulen über 4 bzw. 12 Jahre beanstandungsfrei Reinigungsleistungen für den AG erbracht. Die vom AG im vorliegenden Verfahren näher ausgeführten Mängel der Reinigungsleistung hätten erst den Zeitraum ab Mai 2019 betroffen. Zu diesem Aspekt fänden sich aber weder im ursprünglichen noch im ergänzten Vergabevermerk Ausführungen. Zum anderen beträfen die im Nachprüfungsverfahren vom AG vorgetragenen Mängel zwar auch die Glasreinigung, zu einem wesentlichen Teil aber die Unterhalts- und Grundreinigung. Eine mangelhafte Grund- und Unterhaltsreinigung lasse daher nicht per se darauf schließen, auch die Glasreinigung werde voraussichtlich mangelhaft erbracht. Auch hierzu schweige sich der (ergänzte) Vergabevermerk aus. Ebensowenig eine zulässige Ermessungserwägung sei die im Vergabevermerk aufgeführte Argumentation, der Ausschluss des A sei geeignet, um für die Auftragserteilung eine andere, voraussichtlich besser geeignete Firma über die Auswertungsmatrix finden zu können. Dass bei einem Ausschluss eines Bieters ein anderer Bieter zum Zuge kommen könne, sei denknotwendige Folge. Der Wunsch nach einem anderen Auftragnehmer sei aber per se noch kein Grund für den Ausschluss eines Bieters.

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Anmerkung:
Die Vorschrift des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB gibt den öffentlichen Auftraggebern zwar die langersehnte Möglichkeit, einen Bieter, der wegen früherer Schlechtleistung schon negativ aufgefallen ist, ausschließen zu können. Jedoch darf dabei nicht übersehen werden, dass ein solcher Ausschluss relativ strengen Voraussetzungen unterliegt. So ist z. B. allein eine generelle Unzufriedenheit mit dem Unternehmen bei früheren Aufträgen nicht ausreichend. Notwendig ist vielmehr, dass die mangelhafte Vertragserfüllung zu einer Beendigung, Kündigung oder zu Schadensersatz geführt hat. Und wie die o. g. Entscheidung, die 1:1 auf die Vergabe von Bauleistungen oberhalb der Schwelle übertragbar ist, zeigt, ist es zwingend notwendig, vor einem Ausschluss den Bieter zu den Vorwürfen und möglichen Maßnahmen zur zukünftigen Vermeidung vergleichbarer Beanstandungen anzuhören. Erst dann kann der AG im Rahmen seines Ermessens entscheiden, wobei er – und dies ist äußerst wichtig – alles sorgfältig zu dokumentieren hat. Denn auch hier gilt wieder einmal: Wer nicht – oder nicht richtig – dokumentiert, verliert!

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