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Wann liegt eine unzulässige Mischkalkulation vor?

16.11.2012

Das Kammergericht Berlin (KG) hat mit Beschluss vom 14. August 2012 – Verg 8/12 – u. a. folgendes entschieden:

Änderungen von Preisangaben im Laufe eines Verhandlungsverfahrens rechtfertigen nicht die Annahme einer „Mischkalkulation“.


Eine unzulässige „Mischkalkulation“ liegt allenfalls dann vor, wenn der Bieter einen Positionspreis niedriger als nach seiner internen Kalkulation angemessen, einen anderen Positionspreis höher als kalkulatorisch angemessen angibt und dies in einem vom Bieter beabsichtigten, kausalen Zusammenhang steht.


Die objektive Beweislast für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trägt die Vergabestelle.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte im Wege eines Verhandlungsverfahrens die Erbringung von Lieferleistungen und nachfolgende Service- bzw. Wartungsleistungen ausgeschrieben. Im Verlaufe des Verhandlungsverfahrens erhöhte bzw. reduzierte ein Bieter verschiedene Preisbestandteile. Dies veranlasste den AG zur Angebotsaufklärung wegen Verdachts auf eine unzulässige Mischkalkulation. Er forderte den Bieter auf, eine Darlegung der Kalkulation bzw. Kalkulationsansätze vorzunehmen. Hierauf übermittelte der Bieter bestimmte Kalkulationsangaben; gleichwohl schloss der AG das Angebot aus. Hiergegen wandte sich der Bieter.

Nach Ansicht des Kammergerichts ist die sofortige Beschwerde begründet. Denn der AG könne hier das Vorliegen einer „Mischkalkulation“ nicht nachweisen. In Konkretisierung der Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 18. Mai 2004 – X ZR 7/04) liege eine Mischkalkulation allenfalls dann vor, wenn (1.) der Bieter in seinem Angebot einen bestimmten Positionspreis niedriger angebe als dies nach seiner diesbezüglichen internen Kalkulation – d. h. der Summe aus im Wesentlichen den mutmaßlichen positionsbezogenen Kosten und dem angestrebten, positionsbezogenen Gewinn des Bieters – angemessen wäre, während (2.) der Bieter einen anderen Positionspreis höher angebe, als dies nach seiner internen Kalkulation angemessen wäre, und (3.) diese Auf- und Abpreisung in einem von dem Bieter beabsichtigten, kausalen Zusammenhang stehe. Die objektive Beweislast für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trage jedenfalls der AG. Zum Zwecke des Nachweises könne der AG im Verdachtsfalle dem Bieter aufgeben, seine Kalkulation darzulegen bzw. den Hintergrund der Auf- und Abpreisung zu erläutern. Bei entsprechendem Aufklärungsverlangen obliege dem Bieter dabei grundsätzlich eine Angebotsaufklärung auch im Hinblick auf die einzelnen Preispositionen. Hier sei der Bieter dieser Aufstellung jedoch hinreichend nachgekommen. Soweit der AG im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens die Angaben als unzureichend kritisiert habe, sei dies auf die unspezifische Nachfrage des AG selbst zurückzuführen, so dass hier in Bezug auf die konkrete Fragestellung hinreichend Auskünfte getätigt worden seien. Insbesondere die bloße Tatsache, dass ein Bieter im Laufe eines Verhandlungsverfahrens überarbeitete Angebote abgebe, in denen einzelne Preispositionen gegenüber dem vorigen Angebot erhöht und andere niedriger angegeben seien, rechtfertige nicht die Annahme für eine „Mischkalkulation“. Im Übrigen sei nicht erkennbar, dass eine unterstellte Kalkulationswidrigkeit der Preisangaben hinsichtlich Liefer- und Serviceleistung in einem insoweit beabsichtigten kausalen Zusammenhang zueinander stünden. Offen könne bleiben, welche Anforderungen im Einzelnen an den Nachweis des Vorliegens einer Mischkalkulation zu stellen seien und ob eine ggf. nachgewiesene Mischkalkulation in jedem Fall den Angebotsausschluss rechtfertige. Im Bezug auf beide Fragen halte das Gericht – wie die deutliche Mehrheit der Oberlandesgerichte – eine weitgehende Großzügigkeit zu Gunsten des Bieters für geboten.

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Anmerkung:
Die Entscheidung reiht sich in eine Vielzahl von weiteren Entscheidungen zur sog. „Mischkalkulation“ ein, die auf den BGH-Beschluss vom 18.05.2004 zurückgehen. Erfreulich ist, dass das Kammergericht festhält, dass diesbezüglich eine weitgehende Großzügigkeit zu Gunsten des Bieters veranlasst ist. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass vor allem subjektive Einschätzungen des Bieters relevant sind (z. B. Vorsatz für eine „Mischkalkulation“, Höhe des angestrebten Gewinns etc.), so dass bei Zweifeln an einer Nachweisführung einer „Mischkalkulation“ ein Angebotsausschluss nicht automatisch gerechtfertigt ist.


  Quelle: RA Michael Werner


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