Im Verhältnis zum Nachfolgeunternehmer ist der Vorunternehmer nicht Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers, der AG muss sich daher eine schuldhafte Leistungsverzögerung nicht zurechnen lassen. Der Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB umfasst nicht die gestiegenen Lohn- und Materialkosten, sofern diese erst nach Beendigung des Annahmeverzuges des Bestellers, nämlich bei Ausführung der verschobenen Werkleistung anfallen. Dies hat das OLG Hamburg mit Urteil vom 27.11.2020 (Az.: 8 U 7/20) entschieden. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH mit Beschluss vom 27.10.2021 (Az.: VII ZR 11/21) zurückgewiesen.
Der Fall: AG und AN schließen einen Pauschalvertrag über Bodenbelagsarbeiten unter Einbeziehung der VOB/B. Vertraglich vereinbart war, die Arbeiten spätestens bis zum 02.05.2015 abzurufen und dann binnen 72 Werktagen fertigzustellen. Wegen einer Verzögerung von Vorgewerken konnte AN seine Arbeiten jedoch erst im Februar 2016 beginnen. Er verlangt deshalb wegen Erhöhung des Materialpreise eine um 7,5 % erhöhte Vergütung. AG lehnt dies ab, AN klagt auf restlichen Werklohn.
Das Urteil: Weitestgehend ohne Erfolg! Das OLG Hamburg stellt zunächst fest, dass ein Anerkenntnis nicht in der Bezahlung von Abschlagsrechnungen liege und dass auch die Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens vorliegend nicht in Betracht kommen. Ebensowenig ergäbe sich ein Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B. Das Unterlassen eines Leistungsabrufs sei keine rechtsgeschäftliche Anordnung des Auftraggebers. Allein die Mitteilung des Auftraggebers an den Auftragnehmer, es lägen veränderte Umstände vor, rechtfertige nicht die Annahme einer vertragsändernden Leistungsbestimmung. Zumindest müsse ein aktives Einwirken des Auftraggebers auf den Vertrag feststellbar sein. Auch für einen Schadensersatzanspruch aus § 6 Abs. 6 VOB/B fehle es an einer schuldhaften Pflichtverletzung des AG. Bei einer bloßen, schuldhaften Leistungsverzögerung des Vorunternehmers fehle es an einem zurechenbaren Verschulden des AG, denn der Vorunternehmer sei nicht Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers. Schließlich rechtfertige sich der Anspruch auch nicht aus § 642 BGB, da nach der Rechtsprechung des BGH die gestiegenen Lohn- und Materialkosten vom Entschädigungsanspruch des § 642 BGB nicht erfasst werden. Daher weist das OLG die Klage bis auf einen kleinen, unbestrittenen Teil ab.
Fazit: Die Entscheidung, die der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung entspricht, zeigt exemplarisch ein Dilemma, in dass der Bauunternehmer immer wieder einmal geraten kann, und dies gerade in der heutigen Zeit. Die Bauzeit verzögert sich, weil ein Vorunternehmer nicht fertig wird; währenddessen steigen die Preise für Material und andere Leistungen. Aus Sicht des Unternehmers kommt die Störung aus der Sphäre des Auftraggebers, deswegen hätte er die Mehrkosten gern ersetzt. Für einen Nachtrag fehlt es aber an der erforderlichen Anordnung des Auftraggebers, wenn dieser lediglich die Leistung nicht abruft, weil der Vorunternehmer noch nicht fertig ist. Für einen Schadensersatzanspruch fehlt es am Verschulden des Auftraggebers, weil dieser sich nach der ständigen (und sehr zweifelhaften) Rechtsprechung des BGH die Verzögerung des Vorunternehmers nicht als eigenes Verschulden zurechnen lassen muss. Auch der Anspruch aus § 642 BGB auf Entschädigung wegen Bauzeitverzögerung gewährt keinen Anspruch auf die gestiegenen Lohn- und Materialkosten, weil er nach der Rechtsprechung des BGH nur die Vorhaltekosten während der Verzögerung abdeckt, nicht aber die Materialkostensteigerung danach. Vor diesem Hintergrund kann man dem Auftragnehmer eigentlich nur raten, gemäß § 6 Abs. 7 VOB/B das Vertragsverhältnis zu kündigen, wenn die Verzögerung länger als drei Monate andauert. |