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Verbraucherbauvertrag trotz gewerkeweiser Vergabe!

12.07.2021

Von RA Micheal Seitz 

Ein Verbraucherbauvertrag i. S. d. § 650i Abs. 1, 1. Alt. BGB kann auch bei gewerkeweiser Vergabe vorliegen, wenn die Beauftragung zeitgleich oder in en-gem zeitlichen Zusammenhang mit der Erstellung eines neuen Gebäudes erfolgt, die Erstellung des neuen Gebäudes für den Unternehmer ersichtlich und sein Gewerk zum Bau des neuen Gebäude selbst beiträgt.

Dies hat das OLG Hamm mit Urteil vom 24.04.2021 (Az.: 24 U 198/20) entschieden.

Der Fall: AN, ein Metallbaubetrieb, errichtet für AG Teile einer Industriehalle. Das Fundament und andere Gewerke lässt AG von Drittfirmen ausführen. AG ist die Ehefrau des T, dessen Betrieb wiederum die Halle mietet. Nachdem zunächst streitig war, ob AG oder T bzw. dessen Unternehmen Auftraggeber war, wird später durch AN unstreitig gestellt, dass AG Bauherrin ist. Sie erhält auch die Rechnung. Die Parteien geraten über Mängel der Bauleistung und den Restwerklohn in Streit. Daraufhin verlangt AN von AG eine Bauhandwerkersicherung gemäß § 650f BGB für ausstehenden Werklohn, hilfsweise den Werklohn selbst. AG verteidigt sich damit, sie sei Verbraucherin und zur Stellung einer Sicherungsbürgschaft daher gemäß § 650f Abs. 6 Nr. 2 BGB nicht verpflichtet. Dies sieht auch das Landgericht so und versagt AN die Bürgschaft durch Teilurteil. AN legt gegen das Teilurteil Berufung ein.

Das Urteil: Ohne Erfolg! Das OLG verweist die Sache ans Landgericht zurück. Maßgeblich für diese Zurückverweisung sind prozessuale Überlegungen des OLG, nach denen ein Teilurteil nicht hätte ergehen dürfen. Jedoch belässt es das OLG dabei nicht etwa, sondern führt im zweiten Teil des Urteils - ohne dass es darauf noch entscheidend ankommt - weiter aus, dass auch nach seiner Auffassung AG Verbraucherin sei und dass sie infolgedessen keine Bauhandwerkersicherungsbürgschaft gemäß § 650f BGB zu stellen habe. Zur Verbrauchereigenschaft der AG führt das Gericht aus, es sei durchaus nicht ungewöhnlich, dass auch Privatpersonen im Rahmen ihrer Vermögensverwaltung Nichtwohngebäude errichteten, um diese zu vermieten. Das habe AN auch nicht widerlegt. Auch beschränke sich § 650i BGB, der den Verbraucherbauvertrag definiert, nicht auf Wohngebäude. Zudem sei die Vorschrift des § 650i BGB, an die auch § 650f Abs. 6 Nr. 2 BGB für die Gestellung einer Bürgschaft anknüpft, nicht auf solche Fälle beschränkt, bei denen der Unternehmer als Generalunternehmer sämtliche Leistungen für den Neubau erbringe. Zwar spreche der Wortlaut des § 650i BGB (Verpflichtung zum Bau eines neuen Gebäudes) für diese Auslegung, der gesetzgeberische Zweck jedoch dagegen. Das OLG begründet - auch unter Bezugnahme auf die europarechtlichen Grundlagen des § 650i BGB - ausführlich, warum bei einer Beschränkung des § 650i BGB auf ein schlüsselfertiges Gebäude für den Verbraucher eine Schutzlücke entsteht. Obwohl im vorliegenden Fall der AN nur Teile der Halle errichtet, sei deshalb die Auffassung des Landgerichts "wohl richtig", dass der in § 650i BGB definierte Verbraucherbauvertrag auch den Fall der gewerkeweisen Vergabe umfasse.

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Fazit: Nun ist also eingetreten, was viele bereits befürchtet hatten. Der Begriff des Verbraucherbauvertrages wird zum Schutz der Verbraucher ausgeweitet. Die Folgen dieser Entscheidung sind kaum zu überschätzen. Nicht nur erhält dann auch in solchen Fällen der Auftragnehmer keine Bauhandwerkersicherung gemäß § 650f BGB, er unterfällt auch den sehr weitreichenden Pflichten der §§ 650j – n BGB (Baubeschreibung, Belehrung über Widerrufsrecht, Beschränkung der Abschlagszahlungen usw.), die zudem für die gewerkeweise Vergabe teilweise in keiner Weise passen. Ein ebenso überflüssiges wie gefährliches Urteil für Bauunternehmer. Überflüssig deshalb, weil alle Ausführungen des OLG Hamm zur Auslegung des § 650i BGB ein sogenanntes "obiter dictum" darstellen, also für die Entscheidung, die Sache zurückzuverweisen, ohne jeden Belang sind. Gefährlich für Bauunternehmer deshalb, weil gerade in solchen Fällen, in denen der Verbraucherbauherr z. B. mit einem Architekten ein Einfamilienhaus baut, nun alle Gewerke verpflichtet sind, die Vorgaben des §§ 650j bis n BGB einzuhalten, ihnen jedoch jede Möglichkeit genommen wird, vom Verbraucherbauherrn Sicherheit zu verlangen. Gerade weil das OLG Hamm die Sache ans Landgericht zurückverweist, lässt es auch die Revision zum BGH nicht zu und verweist zur Begründung (im letzten Satz des Urteils) ausdrücklich darauf, es handele sich nur um „Hinweise an das Landgericht“, nicht aber um tragende Entscheidungsgründe. Nimmt man diese Entscheidung ernst und wird sie später von anderen Oberlandesgerichten oder gar vom BGH geteilt, kann man Bauunternehmern eigentlich nur noch raten, gerade bei gewerkeweiser Vergabe auf das Bauen für Verbraucher gänzlich zu verzichten.

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