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Verbraucherbauvertrag oder Bauvertrag mit Verbrauchern?

21.04.2022

Der Anbau von zwei Balkonen an ein bestehendes Gebäude ist keine erhebliche Umbaumaßnahme i. S. des § 650i Abs. 1 BGB und begründet daher keinen Verbraucherbauvertrag. Eine Bauhandwerkersicherungsbürgschaft gemäß § 650f Abs. 5 S. 1 BGB kommt daher in Betracht. Eine Frist von neun Arbeitstagen für die Gestellung der Bürgschaft ist gegenüber Verbrauchern allerdings zu kurz.

Dies hat das OLG Stuttgart mit Urteil vom 21.12.2021 (Az.: 10 U 149/21) entschieden.

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RA Michael Seitz

Der Fall:
AN soll für AG, einen Verbraucher, zwei Balkone mit Glasdach und Außentreppe an dessen bestehendes Gebäude anbauen. Nachdem die Parteien in Streit geraten, verlangt AN von AG eine Bauhandwerkersicherung gemäß § 650f Abs. 1 BGB und setzt hierfür eine Frist von elf Kalendertagen, von denen allerdings wegen der zwischenzeitlichen Osterfeiertage nur fünf Arbeitstage sind. Nachdem AG die Sicherheit nicht erbringt, kündigt AN nach neun Arbeitstagen den Vertrag. Daraufhin begehrt AG die Feststellung, dass diese Kündigung unwirksam gewesen sei und darüber hinaus, das Bauvorhaben vertragsgemäß fertigzustellen und bestimmte Mängel zu beseitigen.

Das Urteil:
Das OLG Stuttgart hebt das Urteil des Landgerichts auf und verurteilt AN antragsgemäß. Allerdings führt das OLG zunächst aus, dass es sich bei dem hiesigen Vertrag für den Anbau von zwei Balkonen und Außentreppen an ein bestehendes Gebäude nicht um einen Verbraucherbauvertrag gemäß § 650i BGB handelt und dass daher ein Sicherungsverlangen gemäß § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB nicht von vornherein ausgeschlossen sei. Der § 650i BGB setze nämlich voraus, dass der Vertrag den Bau eines neuen Gebäudes oder aber erhebliche Umbaumaßnahmen zum Gegenstand habe. Maßgeblich sei mithin der Umfang und die Komplexität des Eingriffs in die bauliche Substanz des Gebäudes. Verträge zur Errichtung von Anbauten seien keine erheblichen Umbaumaßnahmen in diesem Sinne. Allerdings sei die von AN gesetzte Frist von elf Kalendertagen unangemessen kurz. Zwar seien bis zum Zugang der schriftlichen Kündigung, auf den es ankomme, sogar neun Arbeitstage vergangen. Jedoch sei auch zu berücksichtigen, dass ein Verbraucher regelmäßig größere Schwierigkeiten als ein gewerblicher Bauherr habe, eine Sicherungsbürgschaft binnen kurzer Zeit zu erlangen. Daher sei in dem vorliegenden Fall auch aufgrund der Verbrauchereigenschaft des AG die Frist zu kurz bemessen gewesen und die Kündigung daher unwirksam. AN habe daher den Bauvertrag zu erfüllen und die Mängel zu beseitigen.

Fazit:
Erfreulich an dieser Entscheidung ist, dass das OLG Stuttgart zweifelsfrei feststellt, dass nicht jeder Bauvertrag mit Verbrauchern auch ein Verbraucherbauvertrag ist. Vielmehr liegt ein Verbraucherbauvertrag - der eine Bauhandwerkersicherung gemäß § 650f BGB ausschließt - nur vor, wenn ein Neubau oder vergleichbare wesentliche Umbauarbeiten durchgeführt werden. Damit stellt das OLG zugleich fest, dass es neben einem Verbraucherbauvertrag auch einen "Bauvertrag mit Verbrauchern" gibt, der die Erheblichkeitsschwelle des § 650i BGB nicht erreicht und für den folglich - anders als nach der Rechtslage vor dem 01.01.2018 - eine Bauhandwerkersicherung auch von einem Verbraucher verlangt werden kann. Damit hebt sich die Entscheidung erfreulich von dem Urteil des OLG Hamm vom 24.04.2021 ab, in dem das OLG Hamm trotz gewerkeweiser Vergabe einen Verbraucherbauvertrag festgestellt hatte. Die Begründung, mit der das OLG im vorliegenden Einzelfall die Kündigung dennoch für unwirksam hält, wirkt allerdings stark ergebnisorientiert. Da zwischen Fristablauf und tatsächlicher Kündigung noch neun Arbeitstage lagen, erscheint die Frist nach der Rechtsprechung des BGH (7 – 10 Tage) ausreichend. Zutreffend dürfte allerdings die Erwägung des OLG sein, dass ein Verbraucher länger als ein gewerblicher Bauauftraggeber benötigt, um eine solche Bürgschaft zu erlangen. Für Bauunternehmer gilt: Soll eine Bauhandwerkersicherung verlangt werden, empfiehlt sich - gerade gegenüber Verbrauchern - die vorherige Einholung von Rechtsrat.



  Quelle: www.bau-innung.de


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