von RA Michael Seitz
Allein im Austausch von Schlössern an einem Bauobjekt ist auch nach der bis zum 01.01.2018 geltenden Rechtslage keine stillschweigende Kündigung des Bauvertrages zu sehen. Kommt der Auftragnehmer einer Aufforderung des Auftraggebers zur Fortführung der Leistungen nicht nach, kann der Auftraggeber daher kündigen.
Dies hat das OLG Koblenz in einem Beschluss vom 02.11.2017 (Az.: 10 U 1434/16) entschieden. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH mit Beschluss vom 15.04.2020 (Az.: VII ZR 282/17) zurückgewiesen.
Der Fall: AG beauftragt AN mit Umbauarbeiten auf Basis eines VOB-Vertrages. Das Auftragsvolumen beläuft sich auf über 70.000,00 Euro. AN beginnt die Arbeiten am 09.11.2013. Bereits im November kommt es zwischen den Parteien zum Streit über die einzubauende Heizungsanlage. AG tauscht die Schlösser am Bestandsgebäude aus. Daraufhin meldet AN Behinderung an und stellt seine Arbeiten ein. Am 18.12.2013 fordert AG den AN zur Fertigstellung der beauftragten Arbeiten bis zum 31.01.2014 auf. AN reagiert nicht. Daraufhin kündigt AG am 06.02.2014 den Bauvertrag aus wichtigem Grund und klagt auf Rückzahlung von Abschlagszahlungen in Höhe von rund 34.000,00 Euro sowie auf Erstattung der Kosten für ein Privatgutachten, aus dem sich ergab, dass AN keine verwertbaren Leistungen erbracht habe.
Das Urteil: Das OLG gibt – ebenso wie zuvor das Landgericht – der Klage statt. AG habe zu Recht gemäß § 5 Abs. 4 VOB/B den Vertrag aus wichtigem Grund gekündigt, nach Fristablauf sei AN mit der Vollendung der Leistung in Verzug geraten. Die Kündigung verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben. AN habe der Aufforderung, die Arbeiten wieder aufzunehmen, nachkommen müssen. Der Bauvertrag habe zum Zeitpunkt dieser Aufforderung noch fortbestanden, denn der Austausch der Schlösser durch AG könne nicht als Kündigung verstanden werden. Zwar sei die Kündigung eines Bauvertrages gemäß § 649 BGB in der bis zum 01.01.2018 geltenden Fassung grundsätzlich auch stillschweigend möglich, jedoch müsse AG dafür seinen Willen zur Beendigung des Vertrages zweifelsfrei zum Ausdruck bringen. Dies sei durch den bloßen Austausch der Schlösser nicht geschehen, zumal AN nur Behinderung anzeigte und den Austausch der Schlösser also nicht als endgültige Vertragsbeendigung verstanden habe. Da die Leistungen des AN für AG auch nicht verwertbar gewesen seien, habe dieser sowohl einen Anspruch auf Rückzahlung der Abschlagszahlung als auch auf Erstattung der Sachverständigenkosten, denn er habe die außerordentliche Kündigung des AG vom 06.02.2014 durch eine Pflichtwidrigkeit (Nichtfortsetzung der Arbeiten) selbst verursacht.
Fazit: Eigentlich kann man den Willen des AG, den AN auf seiner Baustelle „nicht mehr sehen zu wollen“ kaum deutlicher zum Ausdruck bringen als durch Austausch der Schlösser. Gleichwohl sieht das OLG Koblenz darin keine Vertragskündigung und stützt dies auch auf die Behinderungsanzeige des AN. Bei einer Vertragsbeendigung wäre eine solche nämlich sinnlos gewesen. Zumindest auf die Aufforderung des AG, die Arbeiten fortzusetzen, hätte AN aber reagieren müssen, etwa indem er den AG auffordert, ihm Zugang zur Baustelle zu gewähren. Sein bloßes Schweigen wirkt sich nun zum Nachteil des AN aus. Im Fall eines ausdrücklichen Baustellenverbots hat das OLG Saarbrücken einen ähnlichen Fall im Übrigen anders entschieden und ist von einer stillschweigenden Kündigung ausgegangen. Nach der seit dem 01.01.2018 geltenden Rechtslage gibt es diese Fälle allerdings nicht mehr, denn gemäß § 650h BGB bedarf die Kündigung eines Bauvertrages seither stets der Schriftform, damit scheidet eine stillschweigende Kündigung aus. |