Aus Erde, Boden und Rechenzentren
Die Sanktionen gegen Russland, die hohen Gas- und Ölpreise und der fortschreitende Klimawandel – all das sind unglaublich gute Gründe, warum wir uns nach alternativen Energien umschauen sollten. Doch nicht nur Solarpaneelen und Windräder kommen dafür infrage. Auch Abwärme kann dafür hervorragend genutzt werden. Und das sogar aus mehreren Quellen.
Wärmeverschmutzung in Wärmeversorgung umwandeln
Mit dem Klimawandel steigen nicht nur die Temperaturen an der Erdoberfläche – auch der Untergrund ist davon betroffen. Vor allem in Städten können sich oberflächennahe Schichten um mehrere Grade Celsius erhöhen. Diese Wärmeverschmutzung ließe sich weltweit für eine klimafreundliche und grundlastfähige Wärmeversorgung recyceln, berichten Forschende.
Beim Wärmerecycling wird Grundwasser durch einen Wärmetauscher gepumpt und dann abgekühlt wieder in das Reservoir zurückgeführt. Im Sommer funktioniert das auch umgekehrt: Kühles Wasser kann dabei helfen, überhitzte Städte abzukühlen. Wo Grundwasser nicht zugänglich ist, kann auch ein Wärmemedium in einem geschlossenen Kreislauf im Boden zirkulieren. „Heute werden etwa 70 Prozent des privaten Energieverbrauchs in Deutschland zum Heizen verwendet – dabei kommt zum größten Teil fossiles Gas oder Erdöl zum Einsatz“, so Dr. Kathrin Menberg vom Institut für Angewandte Geowissenschaften des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). „Ungefähr ein Viertel der Heizenergie ließe sich heute schon mit dieser Form der oberflächennahen Geothermie decken.“ Wenn man die überschüssige Wärme nicht abführe, könnte sie zudem in den kommenden Jahrzehnten weltweit die Grundwasserqualität beeinträchtigen. „Wir haben für unsere Betrachtung tausende Standorte auf mehreren Kontinenten berücksichtigt“, sagt Menberg. „In den meisten Fällen wäre eine thermische Nutzung denkbar.“
Direkt an Böden aus beheizten Häusern anzapfen
Doch nicht nur die Erdoberfläche gibt Wärme ab. Auch der Boden in beheizten Häusern enthält Wärme, die genutzt werden könnte. Das internationale Forschungsteam um Prof. Peter Bayer an der Uni Halle-Wittenberg untersuchte dafür die Frage, ob eine Rückgewinnung der Wärme, die beim Heizen von Haushalten entsteht, in großem Stil möglich sei. Schließlich werden dafür in Deutschland laut Umweltbundesamt rund zwei Drittel des privaten Energieverbrauchs aufgewendet. Ein Großteil davon kommt immer noch aus fossilen Quellen, was den Klimawandel weiter verstärkt. "Bei der Suche nach kohlenstoffarmen Alternativen wurde der Wiederverwertung der Hitze, die durch Urbanisierung, Industrialisierung und Klimawandel im flachen Untergrund angesammelt wird, bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt", erklärt Prof. Bayer.
Ein Team unter Leitung der Dalhousie University in Kanada fand nun heraus, dass die angestaute Wärme im Erduntergrund tatsächlich ein großes Potenzial für die Wärmeversorgung hat. Bei etwa 50 Prozent aller weltweit untersuchten Standorte habe sich laut der Studie bereits Wärme angesammelt. Demnach könnten bis zum Jahr 2099 zwischen 73 und 97 Prozent der Regionen in Nordamerika, Europa und Australien ihren jährlichen Heizbedarf mit dieser recycelten Wärme decken.
Zudem könnten sich so auch die Temperaturen im Untergrund senken. "Sollten sich politische Entscheidungsträger und Interessengruppen gegen diese kohlenstoffarme Heizmethode entscheiden, wird sich die Wärme weiterhin im Boden stauen und die Qualität des Grundwassers und der Ökosysteme beeinträchtigen", resümiert die Studienleiterin Dr. Susanne Benz von der Dalhousie University.
Rechenzentren als großflächige Heizsysteme
Schließlich ließen sich auch mit der Abwärme großer Rechenzentren laut einer Studie des Digitalverbands Bitkom jährlich rund 350.000 Wohnungen in Deutschland mit Energie für Heizung und Warmwasser versorgen. "Dieses Potenzial sollten wir nicht weiter brachliegen lassen", erklärte Bitkom-Präsident Achim Berg am Dienstag. Die Rechenzentren müssten direkt an öffentliche und private Fernwärmenetze angeschlossen werden - oftmals fehle dafür jedoch die nötige Infrastruktur.
Mit der Abwärme der Rechenzentren könnten beispielsweise kommunale Einrichtungen wie Schwimmbäder, aber auch Privatwohnungen und Gewerbegebäude mit Wärme versorgt werden, erklärte der Bitkom. In Betracht kämen mittlere und große Rechenzentren, insbesondere in den Regionen Frankfurt am Main, Berlin, Hamburg und München.
Insgesamt belaufe sich die Anschlussleistung der entsprechenden Rechenzentren auf 965 Megawatt, rund die Hälfte dieser Leistung könne für die Abwärmenutzung herangezogen werden. Die Berechnungen basieren auf einer Studie, die das Borderstep Institute im Auftrag von Bitkom erstellte. Um die Abwärme zu nutzen, sind laut Bitkom jedoch zusätzliche Investitionen notwendig.
So fehlten Fernwärmenetze oftmals komplett oder seien für die Abwärme der Rechenzentren nicht nutzbar. Die Temperatur der Abwärme liege meist knapp unter der Temperatur der Fernwärmenetze und müsse deshalb mit Hilfe von Wärmepumpen noch leicht erhöht werden. Der Einsatz von Wärmepumpen in Kombination mit der Nutzung von Abwärme sollte deshalb von Netzentgelten befreit werden, forderte Bitkom.
|