Architekten und Bauherren wollen traditionelle Bauweise wiederbeleben
-- Von Heiko Kunzmann --
Spitzkunnersdorf (dapd-lsc). Beim Eintreten ins frühere Wohnzimmer zieht Ronny Hausmann den Kopf ein. Die Decke ist niedrig, der Raum nicht sehr groß. Hausmann öffnet eines der kleinen Fenster und misst mit Daumen und Zeigefinger die Dicke der Außenwand: "Das sind 18 oder 20 Zentimeter", schätzt er und klopft anerkennend auf das Holz: ein klassisches Umgebindehaus, mindestens 200 Jahre alt. Das schwere Hochwasser im August 2010 hat es ohne Blessuren überstanden, seine Besitzer aber wollten weg vom nahen Dorfbach. Das Häuschen steht nun zum Verkauf. Ronny Hausmann, der die Schlüssel verwaltet, sieht gute Chancen, dass sich bald neue Besitzer finden: "Das Haus ist nicht zu groß und es hat etwas Gemütliches", meint er.
Foto: Norbert Millauer / dapd
Der Vorsitzende des Vereins "Fachring Umgebindehaus", Ronny Hausmann, überprüft am Bullenheim-Haus in Seifhennersdorf (Landkreis Görlitz) den Zustand der Holzkonstruktion.
Im Erdgeschoss Holzwände mit Tragebögen, darüber Etagen aus Fachwerk - das ist das Typische der Umgebindehäuser. Sie prägen vor allem die Orte der Lausitz, doch es gibt sie auch in der Sächsischen Schweiz, in Tschechien und Polen. In ihnen verschmelzen der fränkische Fachwerkbau und die slawische Blockbauweise: ein einzigartiger Mix, den zu erhalten sich der "Fachring Umgebindehaus" auf die Fahne geschrieben hat. In dem kleinen Expertenteam aus Zimmermännern, Bauingenieuren und Architekten ist Hausmann - selbst Malermeister und Restaurator - seit fünf Jahren Mitglied.
Mit Workshops, Seminaren und einem Qualitätssiegel für hervorragende Sanierungen wollen sie zum Erhalt der alten Landhäuser beitragen. Und sie spüren, dass das Bewusstsein für diese einzigartigen Bauten gewachsen ist. "Bis Anfang der 2000er Jahre gab es viele Hauruck-Sanierungen, doch wer jetzt ein Umgebindehaus kauft, der saniert es so, dass es dem Haus gut tut", sagt der 37-jährige.
Auch Rosemarie Pohlack vom Landesamt für Denkmalpflege sieht das so: "Da tut sich was, das Interesse an solchen Häusern wächst wirklich stark", freut sich die Amtschefin. Wer ein Umgebindehaus herrichten will, kann spezielle Kredite der Sparkassen und anderer Banken in Anspruch nehmen. 20 bis 40 Gebäude werden so jährlich erhalten. Dennoch stünden derzeit noch etwa 350 Umgebindehäuser leer, sagt Pohlack. Insgesamt gibt es auf deutscher Seite rund 6.000 dieser Häuser. Etwa zwei Drittel davon steht unter Denkmalschutz.
Sehnsucht nach traditioneller Bauweise
Die Tradition des Bauens mit Holz und Fachwerk soll aber nicht nur in Form von sanierten und denkmalgeschützten Häusern bestehen bleiben. Vielmehr wünscht sich der Fachring, dass auch Neues wieder im Umgebindestil entsteht - und hat dafür einen Architektenwettbewerb ausgeschrieben. Denn es gebe eine Sehnsucht nach traditionellen Bauweisen, meint Hausmann. "Doch da baut man bislang eher skandinavische Häuser, wo wir doch einen eigenen lokalen Baustil haben." Der Anstoß für den Wettbewerb kam von einem polnischen Verein - auch dort wollen Interessierte der Umgebinde-Architektur neues Leben einhauchen.
Etwa 80 Ideen für ein modernes Einfamilienhaus in Umgebinde-Art seien bisher eingereicht worden, sagt Hausmann. Am 12. November wollen der Fachring und der polnische Verein "Dom Kox{0142}odzieja" (Deutsch: "Stellmacherhaus") die besten Vorschläge prämieren. Das neue Umgebindehaus soll kein Abklatsch früherer Bauten sein, sondern neue Elemente enthalten. Solche neugestalteten Umgebindehäuser könnten als Vorlage beispielsweise für Lückenbebauungen dienen.
Mit dem Wettbewerb will der Verein auf polnischer Seite den Stolz auf den besonderen Baustil stärken. Gleiches wollen sie auch in Tschechien erreichen: "Allein dort gibt es etwa 10.000 Umgebindehäuser, in Polen sind es 550", sagt Hausmann.
Im Sommer bleibt es kühl, im Winter warm
Möglichst viele der Holz-Fachwerk-Häuser erhalten möchte auch die Architektin Kerstin Richter: Sie stellt derzeit eine Broschüre fertig, die Eigentümern und Bauherrn von Umgebindehäusern Hilfe bieten soll. 1979 zog sie erstmals in ein Umgebindehaus und ist seither begeistert: "Das Holz im Erdgeschoss schafft eine sehr angenehme Wohnatmosphäre, im Sommer bleibt es kühl, im Winter warm", erzählt die in Weifa lebende Architektin, die zahlreiche Sanierungen begleitet hat.
"Das Wichtigste ist, dass die Lausitzer wieder stolz auf ihre Umgebebindehäuser sind", meint Landesdenkmalpflegerin Pohlack. "Denn die ziehen auch Gäste an und stärken so das große touristische Potenzial der Region." |