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Nachhaltige öffentliche Beschaffung

07.10.2015

Das Volumen der öffentlichen Beschaffung in Deutschland wird auf bis zu 14 % des Bruttoinlandsprodukts geschätzt, das entspricht mehreren 100 Milliarden Euro. Die öffentliche Hand hat somit eine hohe Nachfragemacht und kann gezielt wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen durch ihre Kaufentscheidungen beeinflussen. So kann sie durch die Integration sozialer und ökologischer Aspekte in ihren Beschaffungsprozess unter anderem zu einem nachhaltigeren Wirtschaften in Deutschland beitragen.

2013 hat das Institut für den öffentlichen Sektor bei den größten deutschen Städten und Landkreisen sowie deren öffentlichen Unternehmen untersucht, wie das Beschaffungswesen aufgestellt ist und inwieweit Nachhaltigkeitsaspekte bei Beschaffungen Berücksichtigung finden. Dies war die erste deutschlandweite Bestandsaufnahme des nachhaltigen öffentlichen Beschaffungswesens auf kommunaler Ebene. Dazu wurden gezielt Kommunalverwaltungen und öffentliche Unternehmen der 174 größten deutschen Kommunen befragt. Die Rücklaufquote betrug 32 % bei Kommunen.

Insgesamt zeigte die Studie „Kommunale Beschaffung im Umbruch“, dass in den Kommunen ein Umdenken bei der Beschaffung in Richtung Nachhaltigkeit begonnen hat. Zwar dominierte bei den Studienteilnehmern noch immer der ökonomische Aspekt als zentraler Faktor bei Beschaffungsentscheidungen, doch machten die Studienergebnisse deutlich, dass zum Umfragezeitpunkt bereits ökologische und soziale Standards verstärkt Berücksichtigung fanden.

Auf Basis der Studie hat das Institut für den öffentlichen Sektor im Zeitraum von Oktober 2014 bis Januar 2015 eine online-basierte Follow-up-Umfrage durchgeführt sowie diejenigen Kommunen gezielt angeschrieben, die bereits bei der ersten Umfrage teilnahmen. Es gab insgesamt 34 Teilnehmer, darunter 28 Kommunen und nur sechs öffentliche Unternehmen. Daher liegt der Fokus der Auswertung - wie bei der Studie von 2013 - auf der Kommunalverwaltung. Folgende zentrale Aussagen lassen sich aus der Follow-up-Befragung ableiten:

Ökologische und soziale Standards finden bei öffentlichen Ausschreibungen verstärkt Berücksichtigung. Soziale Aspekte stehen jedoch nach wie vor im Vordergrund.
Dass ökologische und soziale Aspekte bei öffentlichen Beschaffungsvorgängen in den letzten zwölf Monaten an Bedeutung gewonnen haben, bestätigen über 70 % der Umfrageteilnehmer. Gleich viele prognostizieren einen Bedeutungszuwachs in den kommenden zwei Jahren (71 %).
Heute berücksichtigt rund jeder Fünfte der Befragten immer Umweltkriterien bei Ausschreibungen, was den Antworten der Studie von 2013 entspricht. Arbeits- und Sozialstandards werden heute von mehr als der Hälfte aller Befragten immer berücksichtigt (Studie von 2013: 48 %). Diese Ergebnisse verdeutlichen den bereits 2013 sichtbaren Trend, dass Sozialstandards häufiger Anwendung finden als Umweltaspekte. Dies mag darin begründet liegen, dass vor allem soziale Aspekte gesetzlich vorgeschrieben sind, zum Beispiel über Mindestlohnvorgaben in den Landesvergabegesetzen.

Bezieht man die „Häufig“-Angaben mit ein, so zeigt sich in der Follow-up-Umfrage eine leichte Reduzierung bei der ökologischen Dimension: 64 % der Befragten berücksichtigen immer oder häufig Umweltaspekte (Studie von 2013: 77 %). Gleichzeitig ist eine leichte Steigerung bei den Sozialstandards erkennbar: 85 % berücksichtigen immer oder häufig Arbeits- und Sozialstandards (Studie von 2013: 77 %). Letzteres kann darin begründet liegen, dass seit 2013 weitere Tariftreuevorschriften in Kraft getreten sind (z. B. in Niedersachsen zum 1.1.2014).

Die teilnehmenden öffentlichen Unternehmen berücksichtigen soziale oder ökologische Kriterien offenbar noch häufiger als Kommunalverwaltungen, wobei auch hier Sozialstandards im Vordergrund stehen. Alle öffentlichen Unternehmen geben an, immer oder häufig Sozialstandards zu berücksichtigen.

Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten hat teilweise aufwendigere Beschaffungsprozesse zur Folge.
Eine Folge der Berücksichtigung ökologischer und sozialer Aspekte ist laut Ergebnis der Follow-up-Umfrage ein teilweise aufwendigerer Beschaffungsprozess. So sehen 36 % der Teilnehmer längere Beschaffungsprozesse als Konsequenz, gleich viele geben an, dass weniger Anbieter zur Auswahl stehen, und für knapp ein Drittel der Teilnehmer sind die Produkte in Konsequenz teurer geworden. Gleichzeitig werden laut 40 % der Befragten die neuen Anforderungen von den Bedarfsträgern akzeptiert.

Bei den teilnehmenden öffentlichen Unternehmen geben 80 % - und damit mehr als doppelt so viel wie bei den befragten Kommunen - an, dass der Beschaffungsprozess durch die Berücksichtigung ökologischer und sozialer Aspekte länger dauert.

Die Haushaltslage einer Kommune entscheidet nicht darüber, ob Nachhaltigkeitsaspekte im Beschaffungsprozess berücksichtigt werden.
Mehr als ein Drittel der befragten Kommunalverwaltungen befindet sich zum Zeitpunkt der Follow-up-Befragung in einer Haushaltssicherung. Bei allen Kommunen, die sich in einer Haushaltssicherungsmaßnahme befinden, ist die Beschaffung Bestandteil der Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen. Dies hat keinen Einfluss darauf, in welchem Maße die Kommunen ökologische und soziale Aspekte bei Ausschreibungen berücksichtigen - obwohl aus der vorausgegangenen Frage deutlich wird, dass die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien teilweise aufwendigere Beschaffungsprozesse zur Folge hat. Annähernd 90 % der Kommunen in einer Haushaltssicherungsmaßnahme geben an, immer oder häufig Sozialstandards zu berücksichtigen, bei Umweltkriterien tun dies 70 %. Bei den Sozialstandards sind dies damit acht % mehr als bei Kommunen in einer offenbar günstigeren Haushaltslage, bei Umweltkriterien 6 % mehr.

Der Reifegrad der Beschaffungsstellen entspricht für die Hälfte der Befragten einer reinen Bedarfs- und Bestellabwicklung.Im Rahmen der Studie von 2013 wurde der Reifegrad einer Beschaffungsstelle in vier Stufen definiert:
1) Die Bedarfs- und Bestellabwicklung versteht sich als reiner reaktiver Dienstleister für Beschaffungsprozesse.
2) Die Koordination und Marktbearbeitung beinhaltet darüber hinaus eine proaktive Rolle, die einen Mehrwert für die Bedarfsträger bereitstellt.
3) Der Taktische Partner gestaltet Beschaffungsprojekte und ist in die Planung und Budgetierung eingebunden.
4) Der Strategische Manager treibt schließlich eigenständig Innovationen voran und trägt zur Erreichung strategischer Organisationsziele bei.

Mehr als die Hälfte der Befragten sieht sich aktuell auf der ersten Stufe des Reifegrads. Gegenüber der Umfrage aus 2013 liegt dieser Anteil deutlich höher, damals stufte sich ein Drittel als Bedarfs- und Bestellabwickler ein. Als strategischer Manager sehen sich heute nur noch 13 % der Befragten (Studie von 2013: 28 %). Die Follow-up-Ergebnisse bestätigen somit Angaben aus den 2013 geführten Experteninterviews, dass mehr öffentliche Beschaffungsstellen rein operative Tätigkeiten ausführten als damals angegeben. Unsere Analysen der Follow-up-Umfrageergebnisse zeigen dabei, dass der selbst eingeschätzte Reifegrad einer kommunalen Beschaffungsstelle unabhängig von der Größe einer Kommune ist.

Die teilnehmenden öffentlichen Unternehmen ordnen sich im Vergleich zu den befragten Kommunen tendenziell auf einer höheren Stufe des Reifegrads ein. Jeweils ein Drittel sieht sich als Koordinator beziehungsweise taktischer Partner. Nur 16 % schätzen sich als Bedarfs- und Bestellabwickler ein.

Bei der Bündelung von Einkaufsaktivitäten steht die Zusammenarbeit innerhalb der Kommunalverwaltung im Vordergrund.
Die Ergebnisse der Follow-up-Umfrage verdeutlichen die Relevanz von Beschaffungskooperationen innerhalb der eigenen Kommunalverwaltung. Trotz offenbar rückläufiger Tendenz streben immer noch 62 % der Befragten an, ihre Einkaufsaktivitäten innerhalb der Kommunalverwaltung zu bündeln (Studie aus 2013: 86 %). Dies gilt jedoch nicht für Kooperationen mit anderen Kommunalverwaltungen. Während in der Studie von 2013 noch 63 % angaben, ihre Einkaufsaktivitäten auch mit anderen Kommunalverwaltungen bündeln zu wollen, tun dies heute nur noch 23 % der Befragten. Kooperationen mit öffentlichen Unternehmen haben damals wie heute eine eher geringe Bedeutung.

Erste Analysen der Follow-up-Umfrageergebnisse zeigen, dass es tendenziell größere Kommunen sind, die ihre Einkaufsaktivitäten innerhalb der eigenen Verwaltung bündeln wollen.

Bei der Hälfte der teilnehmenden öffentlichen Unternehmen gibt es keine Bestrebungen, die Einkaufsaktivitäten zu bündeln. Ein Drittel strebt Einkaufskooperationen mit anderen Unternehmen innerhalb der eigenen Kommune an.

  Quelle: Institut für den öffentlichen Sektor e.V., 2015


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