Von RA Michael Werner
Die Vergabekammer (VK) Westfalen hat mit Beschluss vom 26.10.2015 – VK 2-27/15 – u.a. Folgendes entschieden:
Bei der Überprüfung von Referenzen ist der Auftraggeber nicht dazu verpflichtet, durch eigene Ermittlungen die Einschätzungen der anderen Auftraggeber auf ihren objektiven Gehalt hin zu überprüfen und vor Verwertung der Informationen sogar eine gerichtliche Klärung der Bemängelungen, die ein früherer Auftraggeber erhebt, abzuwarten. Schon der Umstand, dass ein als Referenz angegebener Auftraggeber aus bestimmten Gründen unzufrieden ist und dass seine Zusammenarbeit mit dem Unternehmen zu einem Gerichtsverfahren geführt hat, darf der zu treffenden Prognoseentscheidung zu Grunde gelegt werden.
Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte im offenen Verfahren die Schadstoffsanierung und den Rückbau eines Gebäudes europaweit ausgeschrieben. Bieter A hatte für die Eignungsprüfung drei Referenzen eingereicht. Der AG hatte diese Referenzen durch Nachfrage beim jeweiligen Auftraggeber überprüft und die im Rahmen dieser Überprüfung erhaltenen Informationen in Form von Telefonvermerken bzw. schriftlichen Antworten der angefragten Auftraggeber in der Vergabeakte dokumentiert. Insgesamt ergab sich dabei ein negatives Bild, weil die befragten Auftraggeber Hinweise auf nicht zufriedenstellende Leistungen in der Auftragsabwicklung mitgeteilt hatten. Der AG schloss A darauf wegen mangelnder Eignung aus. Im von A angestrengten Nachprüfungsverfahren kritisierte dieser, dass der AG einseitig und diskriminierend zu seinen Lasten ermittelt habe durch eine zu starke Fokussierung auf die Referenzen und eine fehlende Würdigung der positiven Referenz zu einem anderen Projekt. In keinem der den Referenzen zu Grunde liegenden Aufträge sei der Bauvertrag gekündigt worden; nur in einem Fall sei ein Vergleich geschlossen worden. Insgesamt habe es sich lediglich um übliche Nachtragsstreitigkeiten und nicht um nachgewiesene Vertragspflichtverletzungen gehandelt.
Die VK gibt hier dem AG Recht. Die Eignungsprüfung sei ein wertender Vorgang, in den zahlreiche Einzelumstände einflößen, die einem AG einen Bewertungsspielraum einräumten, der nur einer eingeschränkten Kontrolle durch die Nachprüfungsinstanzen zugänglich sei. Die Entscheidung des AG sei nur insoweit überprüfbar, als sie ermessensfehlerfrei sein müsse. Dies bedeute, dass sie willkürfrei, im Rahmen der vorgegebenen Regelungen auf Basis eines hinreichend ermittelten Sachverhalts ergehen müsse. Bei Referenzen sei der AG nicht verpflichtet, durch eigene Ermittlungen die Einschätzung der anderen Auftraggeber auf ihren objektiven Gehalt durch eigene Ermittlungen zu überprüfen. Selbst der Umstand, dass ein als Referenz angegebener AG aus bestimmten Gründen unzufrieden war und dass seine Zusammenarbeit mit dem Unternehmen zu einem Gerichtsverfahren geführt habe, dürfe der zu treffenden Prognoseentscheidung zu Grunde gelegt werden. Die Situation eines Vergleichs zur Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung stehe dem gleich. Hier sei eine Referenz vom früheren Auftraggeber ausdrücklich nicht bestätigt worden, eine andere habe sich als nach Auffassung des Auftraggebers in der Ausführung als so mängelbelastet erwiesen, dass man sich gezwungen gesehen habe, die Zusammenarbeit zu beenden. Ob man diesen Vorgang – wie A darstellt – „als einvernehmlichen Wegfall von Positionen“ umschreibe oder wie der AG als „Vergleich zur Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung“ sei im Ergebnis eine Frage der Bewertung. Eindeutig und unwiderlegt sei jedoch der Wille zur vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses seitens des Auftraggebers. Diese Erkenntnisse seien durch unmittelbare Befragung der zuständigen Ansprechpartner erlangt und dokumentiert worden und damit keineswegs durch ungeprüfte üble Nachrede Dritter, die hier A unterstelle. Daher sei im Ergebnis der Ausschluss des Angebots zu Recht erfolgt.
RA Michael Werner
Partner in der Kanzlei ZIRNGIBL LANGWIESER Rechtsanwälte Partnerschaft mbB
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Anmerkung: Wie die Entscheidung zeigt, ist die Frage, inwieweit die negative Auskunft von Referenzgebern bei der Entscheidung über den Ausschluss eines Bieters eine Rolle spielt, äußerst streitig. Das ab 18.04.2016 geltende neue Vergaberecht bringt hier mehr Klarheit. Gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB liegt ein Ausschlussgrund erst dann vor, wenn ein Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat. Damit dürfte z.B. ein geschlossener Vergleich – auch zur Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung – für einen Ausschluss wegen negativer Referenz zukünftig nicht mehr ausreichend sein. |