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Mehrkostenberechnung bei anordnungsbedingtem Stillstand

22.04.2021

von RA Michael Seitz

Auch in den Fällen des § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B erfolgt die Berechnung der Vergütung für die geänderten bzw. zusätzlichen Leistungen nach den tatsächlich erforderlichen Kosten zzgl. angemessener Zuschläge, es sei denn, die Parteien haben hierüber eine anderweitige Vereinbarung getroffen. Zu den Mehr- bzw. Minderkosten einer geänderten oder zusätzlichen Leistung gehören auch die Kosten des Stillstands von Baugeräten, wenn sich deren Einsatz aufgrund der geänderten oder zusätzlichen Leistung zeitlich verschiebt.

Dies hat das OLG Köln in einem Urteil vom 03.02.2021 (Az.: 11 U 136/18) entschieden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Revision ist beim BGH unter dem Az.: VII ZR 191/21 anhängig.

Der Fall: Der öffentliche Auftraggeber AG beauftragt AN mit der Schadstoffsanierung und dem Rückbau eines Gefängnisses, bestehend aus mehreren Gebäudeteilen. Während der Bauphase stellt sich heraus, dass Mehrleistungen erforderlich werden, weil die Asbestbelastung erheblich höher ist als von AG angenommen. Die Mehrkosten für die umfangreicheren Asbestsanierungsarbeiten fasst AN in einem Nachtrag auf Basis seiner Urkalkulationen zusammen. In dem Nachtrag macht AN außerdem 120.000,00 Euro Stillstandskosten für zwei Bagger geltend, die wegen der umfangreicheren Asbestsanierungsarbeiten erst 32 Tage später als geplant zum Einsatz kommen konnten. AG akzeptiert den Nachtrag mit Ausnahme der Stillstandskosten für die Bagger. Das Landgericht weist die Klage mit der Begründung ab, es sei allein die Regelung des § 6 Abs. 6 VOB/B einschlägig, hierzu aber mangele es an substantiiertem Vortrag des AN, insbesondere an einer bauablaufbezogen Darstellung. AN legt Berufung ein.

Das Urteil: Und hat Erfolg! Das OLG Köln spricht AN den Anspruch dem Grunde nach zu. Im vorliegenden Fall sei nicht etwa die Vorschrift des § 642 BGB bzw. § 6 Abs. 6 VOB/B (Entschädigung wegen unterlassener Mitwirkung) einschlägig, denn der Gerätestillstand sei darauf zurückzuführen, dass die Bauzeit aufgrund von AG angeordneter geänderter bzw. zusätzlicher Leistungen verlängert wurde. Auch die Mehr- und Minderkosten einer solchen anordnungsbedingten Bauzeitverlängerung fielen unter § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B. Sodann argumentiert das OLG Köln im Anschluss an die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu § 2 Abs. 3 VOB/B (Az.: VII ZR 34/18 vom 08. August 2019) weiter, dass auch die § 2 Abs.5 und 6 VOB/B keine Regelung dazu enthielten, wie Mehr- und Minderkosten zu berechnen seien. Sofern die Parteien sich daher nicht auf einen Abrechnungsmodus geeinigt hätten, sei auch in § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B – ebenso wie bei dem insoweit wortgleichen § 2 Abs. 3 VOB/B – von einer Berechnung nach den tatsächlich erforderlichen Kosten zzgl. angemessener Zuschläge für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn auszugehen. Eine solche anderweitige Einigung verneint das OLG hier. Zwar hätten sich die Parteien hinsichtlich der Nachträge für die eigentlichen Asbestsanierungsmehrkosten auf eine Abrechnung nach der Urkalkulationen geeinigt. Hinsichtlich der Mehrkosten für die Vorhaltung der Bagger habe AG jedoch von vornherein die Auffassung vertreten, eine solche sei nicht gemäß § 2 Abs. 5 bzw. Abs. 6 VOB/B abrechenbar, weshalb AG auch diesen Teil des Nachtrags von Anfang an ablehnte. Seien sich die Parteien aber schon über die Grundlagen für die Abrechnung uneins, so komme eine stillschweigende Einigung über den Abrechnungsmodus nicht in Betracht. Daher seien auch hier die Mehrkosten nach den tatsächlich erforderlichen Kosten zzgl. angemessener Zuschläge abzurechnen.

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Fazit: Das OLG Köln hatte sich hier gleich mit zwei Rechtsfragen zu befassen, die bisher höchstrichterlich ungeklärt sind. Deshalb ließ es die Revision zu, die auch eingelegt wurde. Zum einen geht es um die höchstrichterlich noch ungeklärte Frage, ob – ebenso, wie es der BGH für den insoweit wortgleichen § 2 Abs. 3 VOB/B entschieden hat - auch in den § 2 Abs. 5 und Abs. 6 VOB/B/B die Abrechnung nach tatsächlich erforderlichen Kosten zzgl. angemessener Zuschläge zu erfolgen hat, wenn die Parteien sich nicht anderweit über die Abrechnung geeinigt haben. Zum anderen geht es um die höchstrichterlich ebenfalls noch nicht entschiedene Frage, ob Stillstandskosten, die nicht auf einer „echten“ Behinderung, sondern vielmehr auf den Folgen einer Anordnung des Auftraggebers beruhen, nach § 2 Abs. 5 bzw. Abs. 6 VOB/B (so hier das OLG Köln) oder aber nach § 6 Abs. 6 VOB/B bzw. § 642 BGB abzurechnen sind. Man darf daher gespannt sein, wie der BGH diese beiden Rechtsfragen entscheidet und ob er sich hinsichtlich der anordnungsbedingten Stillstandszeiten der – durchaus unternehmerfreundlichen – Rechtsprechung des OLG Köln anschließen wird.

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