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Mangel bei Nichteinhaltung der anerkannten Regeln der Technik

07.05.2013

Für eine Holztreppe können die anerkannten Regeln der Technik vorsehen, dass eine bestimmte Mindeststärke von Bauteilen eingehalten oder aber ein Standsicherheitsnachweis im Einzelfall vorgelegt werden muss.

Dies hat der BGH in einem Urteil vom 7. März 2013 (Az.: VII ZR 134/12) entschieden.

In dem entschiedenen Fall beauftragte AG den AN mit dem Einbau einer massiven Holztreppe in sein Einfamilienhaus zu einem Preis von 3.485,00 €. Nach Auffassung des AG weist die Treppe Mängel auf. Sie verursache ein Knarren und sei mit einer Wangenstärke von nur 40 mm insgesamt zu schwach ausgelegt. AN versucht einige Nachbesserungen, die jedoch erfolglos bleiben. Daraufhin vertritt AG die Auffassung, dass eine Mängelbeseitigung nur durch Einbau einer neuen Treppe möglich sei. AG erhebt Klage auf Vorschuss für die Mängelbeseitigungsarbeiten, der das Amtsgericht stattgibt. Die Berufung wird vom Landgericht zurückgewiesen.

Der BGH weist auch die vom Landgericht zugelassene Revision zurück und bestätigt das Urteil des Landgerichts. Gemäß § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB sei die Treppe nur dann vertragsgemäß hergestellt, wenn Sie die vereinbarte Beschaffenheit aufweist. Die vereinbarte Beschaffenheit sei durch Auslegung des Vertrages zu ermitteln. Der Unternehmer verspreche bei Vertragsschluss regelmäßig stillschweigend, bei der Herstellung des Werkes die anerkannten Regeln der Technik einzuhalten. Entspricht das Werk nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik, so liegt ein Mangel vor. Im vorliegenden Fall ergab sich aus dem bereits 10 Jahre zuvor veröffentlichten „Regelwerk für handwerkliche Holztreppen“, dass diese eine Wangenstärke von mindestens 50 mm haben müssen. Daher entspricht eine Treppe mit einer Wangenstärke von nur 40 mm nicht den anerkannten Regeln der Technik. Dennoch kann die Treppe fachgerecht sein, wenn im Einzelfall für sie eine bauaufsichtliche Zustimmung vorliegt, was einen Standsicherheitsnachweis voraussetzt. Daran fehlte es im vorliegenden Fall jedoch. Ebenso wie das Landgericht gelangt der BGH daher zur Mangelhaftigkeit der Treppe, weil diese eben nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Mit anderen Worten: Der Unternehmer muss entweder nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik bauen oder im Einzelfall einen Standsicherheitsnachweis führen. Auch die Tatsache übrigens, dass eine Wangenstärke von 40 mm im Vertrag vereinbart war, lässt der BGH nicht gelten. Eine solche Abweichung von dem üblicherweise zu erwartenden Mindeststandard sei nur dann wirksam, wenn der AG entweder die besondere Bedeutung dieser Abweichung kennt oder darauf ausdrücklich hingewiesen wird. Das war hier auch nicht der Fall.

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Fazit: Es verwundert, dass das Landgericht in diesem Fall überhaupt die Revision zum BGH zuließ. Die Erkenntnis, dass eine Werkleistung, die nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht, mangelhaft ist, dürfte eigentlich zum Allgemeingut eines jeden am Bau Tätigen gehören. Zwischen den Zeilen lässt sich lesen, dass das Landgericht mit der Zulassung der Revision insbesondere die Frage geklärt wissen wollte, ob es sich bei dem „Regelwerk für handwerkliche Holztreppen“ tatsächlich um allgemein anerkannte Regeln der Technik handelt, da in der Praxis vielfach auch Treppen mit einer Wangenstärke von nur 40 mm verbaut werden. Dieser Punkt wurde aber in der Revision nicht ausreichend gerügt. Daher war der BGH als Revisionsinstanz (die keine Tatsachenaufklärung mehr betreibt) an diese Feststellung des Landgerichts gebunden. Entgegen dem ersten Anschein ist damit keineswegs geklärt, dass nur eine Wangenstärke von 50 mm bei Holztreppen als allgemein anerkannte Regel der Technik gelten kann. Die Praxis dürfte aber vor dem Hintergrund der Entscheidung jede andere Auffassung schwer durchzusetzen sein. Die Bedeutung der Entscheidung liegt im Übrigen auch darin, dass der BGH noch einmal geradezu schulmäßig die Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit bei Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik darstellt. Auch ausdrückliche Vereinbarungen, die vom Mindeststandard abweichen, werden regelmäßig nicht zu einem geringeren Leistungssoll führen, weil sie keinen Hinweis auf die „schlechtere“ Leistung enthalten. Dies hatte der BGH auch bereits vorher mehrfach entschieden.

  Quelle: RA Michael Seitz


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