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Leistungsverzeichnis abarbeiten reicht nicht!

25.06.2015

von RA Michael Seitz

Bei einem Werkvertrag hat der Auftragnehmer die Pflicht, ein zweckentsprechendes und funktionstaugliches Werk herzustellen. Dafür genügt es nicht, nur das vom Auftraggeber zur Verfügung gestellte Leistungsverzeichnis abzuarbeiten. Vielmehr muss der Auftragnehmer die Vorgaben daraufhin untersuchen, ob sie geeignet sind, ein mangelfreies Werk entstehen zu lassen und ggf. auf Bedenken gegen die vom Auftraggeber beauftragte Ausführungsart hinzuweisen.

Dies hat das OLG Celle in einem Urteil vom 22.01.2014 (Az.: 14 U 131/13) entschieden. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH mit Beschluss vom 23.04.2015 (Az.: VII ZR 42/14) zurückgewiesen.

Der Fall: AN errichtet für AG den Rohbau einer Autowaschhalle. Dabei soll AN unter anderem ein Gefälleestrich herstellen, auf dem dann später das Nachfolgegewerk eine Verbund-abdichtung und einen Fliesenbelag aufbringen soll. Stattdessen bringt AG Dickbettmörtel auf. Der Fliesenleger drückt sodann die Fliesen unmittelbar in die noch nicht abgebundene Mörteloberfläche. Bereits nach kurzer Zeit dringt Wasser in das Mörtelbett ein und wäscht es aus. Sehr bald liegen die Fliesen hohl und brechen, wenn Fahrzeuge darüber fahren. Gegen die Mängelansprüche des AG wendet AN unter anderem ein, AG selbst habe die geänderte Ausführungsart, nämlich die Herstellung des Dickbettmörtels, angeordnet. Das bestreitet AG auch nicht, fordert jedoch gleichwohl Schadensersatz.

Das Urteil: Zu Recht, wie das OLG Celle meint. Dabei geht es von dem vom BGH entwickelten funktionalen Herstellungsbegriff aus, der AN verpflichtet, nicht einfach nur das Leistungsverzeichnis abzuarbeiten bzw. den Weisungen seines Bauherrn blind zu folgen, sondern vielmehr eine zweckentsprechende und funktionstaugliche Leistung herzustellen. Zu dieser Pflicht der Herstellung eines funktionstauglichen Werkes gehört auch die Hinweispflicht. Im vorliegenden Fall hätte AN als sach- und fachkundiger Unternehmer erkennen und darauf hinweisen müssen, dass die gewählte Ausführungsweise auf keinen Fall funktionieren konnte, denn zwischen Estrich und Fliesen musste zwingend eine Abdichtung eingebracht werden. Selbst wenn also AG ihn angewiesen hat, statt des Gefälleestrichs und der Verbundabdichtung Dickbettmörtel zu verwenden, hätte AN schriftlich darauf hinweisen müssen, dass dies nicht zu einem funktionstauglichen Werk (funktionsfähige Autowaschhalle) führt.

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Fazit: Das OLG Celle wendet im vorliegenden Fall geradezu exemplarisch die ständige Rechtsprechung des BGH zum funktionalen Herstellungs- und Mangelbegriff an, weshalb es auch nicht verwundert, dass der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde zurückweist. AN schuldet stets ein funktionstaugliches Werk. Reichen die von AG beauftragten Leistungen für die Funktionstauglichkeit nicht aus oder erteilt AG (oder auch sein Architekt!) später Weisungen, die zur Untauglichkeit des Werkes führen, so muss der Unternehmer einen Hinweis geben. Dies gilt selbst dann, wenn AG um die Untauglichkeit weiß, es sei denn, er entscheidet sich ganz bewusst für eine risikobehaftete Bauweise, was AN kaum jemals wird beweisen können.

Man kann es daher nicht oft genug wiederholen: Ist AN der Auffassung, AG oder der von ihm beauftragte Planer habe ein Werk beauftragt, das nicht funktioniert, so muss er auf diese Tatsache hinweisen. Für diesen Hinweis ist AN beweispflichtig, sodass dieser stets schriftlich erfolgen und sein Zugang beim Bauherrn ebenfalls dokumentiert werden sollte. Entscheidet sich AN trotz des Hinweises für die risikobehaftete Bauweise, so wird AN in seiner Gewährleistungspflicht frei, und zwar von Anfang an und damit unabhängig von Verjährungsfristen.

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