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Erste Erfahrungen mit dem neuen Bauvertragsrecht l Teil 4

28.08.2018

Baufirmen unterlaufen Angaben zur Bauzeit im Kleingedruckten

Bauherren müssen wissen, wann sie ihr neues Haus oder ihre Wohnung beziehen können. Wichtige Entscheidungen hängen von diesem Termin ab – Finanzierungsplanung, Kündigung der alten Wohnung, Umzug, Ummeldung der Kinder in Kita und Schule, um nur einige zu nennen. Weil der Einzugstermin für Verbraucher so wichtig ist, hat der Gesetzgeber den Baufirmen im neuen Bauvertragsrecht die Nennung eines Fertigstellungstermins auferlegt. Baufirmen nutzen allerdings jede Möglichkeit, um dieses Recht zu umschiffen, kritisiert der Verband Privater Bauherren (VPB).

Das neue Bauvertragsrecht, dem alle seit dem 1. Januar 2018 unterschriebenen Verbraucherbauverträge unterliegen, zwingt Schlüsselfertiganbieter und sogar Bauträger dazu, bereits in der Baubeschreibung verbindliche Angaben über die Baufertigstellung oder zumindest die Bauzeit zu machen. Die Baubeschreibung muss den Bauherren schon vor Vertragsabschluss übergeben werden. Sie muss das Angebot detailliert erläutern und den Vergleich mit Offerten anderer Firmen ermöglichen. Je früher der Anbieter fertig wird, desto mehr Miete können Bauherren sparen. So wirkt sich auch die Bauzeit auf den Preis aus.

„Die meisten Baufirmen nennen in der Baubeschreibung keinen konkreten Übergabetermin, sondern legen sich lieber auf eine bestimmte Bauzeit fest“, beobachtet VPB-Vertrauensanwalt Holger Freitag ein gutes halbes Jahr nach Inkrafttreten des neuen Bauvertragsrechts. „Das ist im Prinzip auch sinnvoll, weil ja oft noch behördliche Genehmigungen eingeholt und Fragen geklärt werden müssen, so dass der Beginn des Baus nicht sicher feststeht. Damit ist auch der Zeitpunkt der Fertigstellung noch ungewiss. Die Bauzeit selbst allerdings lässt sich gut einschätzen und planen, vor allem, wenn schon ein Baugrundgutachten vorliegt.“ „Ist der Zeitpunkt des Baubeginns also absehbar, könnten sich Bauherren auf die Nennung der Bauzeit einlassen. Theoretisch zumindest. Praktisch nutzen viele Baufirmen bereits jetzt jede Möglichkeit, um die gesetzlichen Vorgaben aufzuweichen und die Frist für sich zu verlängern“, kritisiert Holger Freitag.

„In nahezu jedem Vertrag, der uns zurzeit von privaten Bauherren zur Prüfung vorgelegt wird, sind solche Bauzeitverlängerungen enthalten“, beobachtet der Rechtsanwalt. „Wir finden sie im für Laien oft ohnehin schwer verständlichen Kleingedruckten, den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB)! Sie sind vielfältig und schwammig formuliert und laufen darauf hinaus, dass die vorweg genannte feste Bauzeit de facto doch wieder unverbindlich werden soll.“

Geht es nach den Unternehmen, können zum Beispiel Trocknungszeiten die Bauzeit verlängern, aber auch die eigenen Betriebsferien sowie jeder noch so kleine Sonderwunsch der privaten Bauherren. Andere schreiben, die Bauzeit sei eingehalten, auch wenn die Außenarbeiten – was immer das heißt – am Haus noch gar nicht fertig sind. „Viele dieser AGB stoßen bei Fachleuten auf gravierende Bedenken und sind sicher auf Dauer nicht zu halten“, resümiert Holger Freitag. „Andererseits haben Bauherren in der Regel weder Zeit noch Interesse daran, vor Gericht gegen die AGB vorzugehen. Sie brauchen einfach einen verlässlichen Einzugstermin. Deshalb sollten sie sich auch nicht auf solche vertraglichen Weichmacher einlassen.“

„Andererseits muss, wer sich nicht auf Verlängerungen einlassen will, sicher eine deutlich längere Bauzeit akzeptieren“, gibt Rechtsanwalt Freitag zu bedenken. „Denn der Bauunternehmer wird entsprechende Sicherheitszuschläge einbauen, um auch bei schwierigem Bauablauf auf jeden Fall rechtzeitig fertig zu werden.“

Alle guten Regelungen nützen aber nichts, wenn die Bauherren selbst die Bauzeit verzögern. Das passiert in der Regel, wenn sie ihr einseitiges Anordnungsrecht nutzen, das ihnen seit Einführung des neuen Bauvertragsrechts zusteht. Das kann zu Bauzeitverlängerungen führen, für die der Bauunternehmer nichts kann.

Der VPB empfiehlt Bauherren: Unbedingt darauf achten, dass die Regelungen zur Bauzeit, die in der Baubeschreibung standen und die den Bauherren zusagten, auch in den Vertrag übernommen und nicht wieder durch die Hintertür relativiert werden. Und: Während der Bauzeit immer wieder mit dem eigenen Sachverständigen abklären, ob der Baufortschritt den Planungen entspricht und die Bauzeit eingehalten werden kann. Der VPB-Vertrauensanwalt rät: „Lieber die Wohnung etwas später kündigen, als unter Zeitdruck einen mangelhaften Bau abnehmen müssen.“

  Quelle: www.vpb.de


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