von RA Michael Werner
Die Vergabekammer (VK) Westfalen hat mit – erst jetzt veröffentlichtem – Beschluss vom 25.06.2020 – VK 1-14/20 – folgendes entschieden:
• Sind die Eignungsanforderungen nicht in der Bekanntmachung genannt, muss ein Bieter darlegen, dass er dadurch in seiner Wettbewerbsposition beeinträchtigt ist.
• Referenzen müssen nicht identisch, sondern vergleichbar sein.
• Die früheren Leistungen eines anderen Unternehmens können die eigene Eignung für den konkreten Auftrag nur dann belegen, wenn der Bieter nachweisen kann, dass der ganz überwiegende Teil der auszuführenden Leistungen durch dasselbe Personal des früheren Unternehmens durchgeführt werden soll.
Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte die Einbindung eines Gasbehälters durch Montage von Maschinentechnik in das System einer Kläranlage europaweit nach der VOB/A ausgeschrieben. Hinsichtlich der Eignung forderte der AG eine ausreichende fachliche Qualifikation, Leistungsfähigkeit und Erfahrung des Bieters im Bereich von Faulgassystemen. Als Nachweis sollten mindestens 5 vergleichbare Referenzen der letzten 5 Jahre vorgelegt werden. Bieter A, dessen Firma erst 2019 gegründet worden war, benannte 12 Referenzen, wobei er auf seine beiden Geschäftsführer verwies, die zuvor bei der X GmbH beschäftigt waren, und verwies auf deren Referenzen. Der AG akzeptierte nur 2 der benannten Referenzen und wies darauf hin, dass er die Referenzen der X GmbH nicht bewerten könne, da es sich um ein anderes Unternehmen handele, und schloss das Angebot des A aus. Nach erfolgloser Rüge stellte A Antrag auf Nachprüfung.
Die VK gibt hier dem AG Recht, da dieser das Angebot des A zu Recht wegen nicht ausreichender Referenzen ausgeschlossen habe. Die Anforderungen des AG hinsichtlich der Eignung der Bieter seien nicht zu beanstanden. Zwar müssten gemäß § 122 Abs. 4 GWB die Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung genannt werden, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei; vielmehr sei in der Bekanntmachung lediglich auf die Auftragsunterlagen verwiesen worden. Allerdings werde die Rechtsposition des A dadurch nicht kausal beeinträchtigt, weil sich aus den gesamten Vergabeunterlagen ergebe, dass A die Anforderungen hinsichtlich der Eignung genau gekannt und sich auch wiederholt bemüht habe, diese Anforderungen zu erfüllen.
A habe hier keine Nachweise über bereits ausgeführte Leistungen erbracht, die mit den hier konkret zu vergebenden Leistungen „vergleichbar“ im Sinn des § 6a Nr. 3 EU VOB/A seien. Nach ständiger Rechtsprechung handele es sich bei dem Begriff „vergleichbare Leistung“ um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der anhand des Wortlauts der Vergabeunterlagen und von Sinn und Zweck der geforderten Angaben unter Berücksichtigung des Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatzes auszulegen sei. Dabei bedeute die Formulierung „vergleichbar“ nicht gleich oder identisch, sondern, dass die Leistung im technischen oder organisatorischen Bereich einen gleich hohen oder höheren Schwierigkeitsgrad habe. Eine Referenzleistung sei dann mit der ausgeschriebenen Leistung vergleichbar, wenn sie dieser soweit ähnele, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung eröffne. Laut den Vorgaben des AG in den Vergabeunterlagen ergebe sich, dass als „Mindestanforderung“ die „Ausführung“ von vergleichbar großen „Faulgassystemen“ als Referenz gefordert war. Dabei habe der AG gerade nicht vorgegeben, dass sich die Referenzen nur auf einzelne Anlagenteile beziehen dürften, sondern auf das Gesamtsystem „Faulgasanlage“. Danach erfüllten die von A vorgelegten Referenzen inhaltlich nicht die vom AG gestellten Vorgaben. Der Einbau unterschiedlicher Anlagenteile in mehreren Kläranlagen, wie sie von A durchgeführt und nachgewiesen worden sei, habe sich nicht auf das Gesamtsystem einer Kläranlage bezogen.
Die Referenzen der Firma X GmbH seien dagegen keine eigenen Referenzen des A und könnten ihm auch nicht zugerechnet werden. Die Referenzen eines anderen Unternehmens könnten dem Bieterunternehmen dann zugerechnet werden, wenn das Referenzunternehmen von dem Bieterunternehmen, sei es im Wege der Verschmelzung oder Fusion, übernommen worden sei und die für den Referenzauftrag maßgeblichen Erfahrungen und Ressourcen übergegangen seien. Denn Referenzen gäben nicht nur Auskunft über die Leistungsfähigkeit des mit der Auftragsausführung beauftragten Personals, sondern auch über die Leistungsfähigkeit der Unternehmensorganisation als Ganzes, welche die zu vergebende Leistung zu erbringen hätte. Aus diesem Grund habe die Rechtsprechung stets betont, dass selbst Referenzen eines bereits übernommenen Unternehmens dem Bieter als Eigenreferenzen zum Nachweis der beruflichen und technischen Leistungsfähigkeit nur dann zugerechnet werden könnten, wenn die Organisation des übernommenen Unternehmens im Wesentlichen unverändert geblieben sei. Andernfalls würde vernachlässigt, dass an der Leistung eines Unternehmens auch die Unternehmensleitung, die gesamte Betriebsorganisation und Struktur des Unternehmens maßgeblichen Anteil hätten. Die früheren Leistungen eines anderen Unternehmens könnten daher die eigene Eignung für den konkreten Auftrag nur dann belegen, wenn der Bieter nachweisen könne, dass der ganz überwiegende Teil der auszuführenden Leistungen durch dasselbe Personal des früheren Unternehmens durchgeführt werden solle.
Davon ausgehend könne festgestellt werden, dass A ein eigenes Unternehmen gegründet habe und nicht etwa eine Übernahme des Referenzgebers erfolgt sei. Denn es sei festzustellen, dass jedenfalls die gesamten Organisationsstrukturen (Unternehmensleitung, Unternehmensorganisation und die Betriebsstrukturen) des Referenzgebers nicht übernommen worden seien. Darüber hinaus stehe fest, dass lediglich zwei Mitarbeiter aus dem Unternehmen des Referenzgebers in die neue Firma gewechselt hätten. Zutreffend sei sicherlich, dass diese beiden Mitarbeiter u. a. auch, und sicherlich auch maßgeblich, am Erfolg des Referenzgebers beteiligt gewesen seien. Aber das reiche nicht aus, vielmehr müsse der Bieter nachweisen, dass der ganz überwiegende Teil der Leistungen durch dasselbe Personal erfolgt sei. Ein solcher Nachweis gelinge aber nur, wenn das Personal des Referenzgebers weitgehend von der neuen Firma, die sich auf diese Referenzen berufe, übernommen worden sei. Allein der Übergang von sogenannten „Leistungsträgern“ reiche dafür nicht aus. Daraus könne für sich genommen nicht geschlossen werden, dass die Fachkunde auch beim neuen Unternehmen, also dem Bieterunternehmen, vorhanden sei. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Montage von Faulgasanlagen Teamarbeit sei, und dass der überwiegende Teil des Personals, das für die Referenzen verantwortlich zeichne, beim Referenzgeber (hier der X-GmbH) verblieben sei.
Anmerkung: Grundsätzlich kann sich ein Unternehmen auf die Referenzen eines Vorgänger- bzw. übernommenen Unternehmers beziehen, was häufiger speziell bei Architekten- oder Ingenieursbüros anzutreffen ist. Allerdings stellt die Rechtsprechung für diesen Bezug relativ hohe Hürden auf: es genügt nicht, dass z. B. die Leitungsebene des referenzgebenden Unternehmens übernommen wurde. Vielmehr muss fast die ganze Unternehmensorganisation, insbesondere das Personal und damit auch das Know-how übergegangen sein. |