Eine Befragung zeigt, dass andere Themen derzeit im Vordergrund stehen
Der Krieg in der Ukraine treibt die Preise in die Höhe. Zusätzlich ist der Fachkräftemangel eine gewaltige Herausforderung für die Bauwirtschaft. Doch das eigentliche Zukunftsthema am Bau ist laut einer aktuellen Umfrage die Nachhaltigkeit. Eine sinnvolle Priorisierung fehlt allerdings, denn aufgrund der Krisenbewältigung wegen der Preiserhöhungen und dem Fachkräftemangel steht nachhaltiges Bauen branchenübergreifend nur an dritter Stelle. Dies zeigte eine aktuelle Branchenbefragung der Managementberatung Horváth.
Für die Befragung wurde eine repräsentative Auswahl an 20 Vorstandsmitgliedern aus relevanten Unternehmen der Bauwirtschaft befragt. Mit den Teilnehmenden wurden intensive, qualitative Interviews geführt. Diese fanden im Rahmen der großangelegten Horváth-Studie „CxO Priorities 2022“ statt, für die insgesamt 280 Topmanagerinnen und -manager befragt wurden. Die Interviews wurden hauptsächlich im Juni 2022 durchgeführt.
Nachhaltigkeit wird nach hinten gestellt
Das Thema Nachhaltigkeit landete bei Unternehmen aus der Bauwirtschaft jedoch mit Abstand auf dem ersten Platz der wichtigsten strategischen Themen. 68 Prozent der Befragten halten ein ganzheitliches Nachhaltigkeitskonzept für sehr wichtig, weitere 32 Prozent für wichtig. Doch die Bauunternehmen kommen in der Bearbeitung ihres Topthemas nicht voran, weil im Geschäftsalltag Probleme wie Preiserhöhungen oder Fachkräftemangel drängender zu lösen sind. Für das Gesamtjahr wird dennoch ein Umsatzwachstum von mehr als sechs Prozent erwartet, für 2023 jedoch nur noch vier Prozent.
Neben Nachhaltigkeitsthemen gerät auch die Digitalisierung in den Schatten der drängenden aktuellen Herausforderungen. Die Bedeutung von Gebäudeautomation etwa sank im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozentpunkte. Building Information Modelling, der cloudbasierte ganzheitliche Prozess für ein Bauprojekt, schafft es in diesem Jahr nur auf den achten Rang der Faktoren mit dem größten Einfluss auf die Branche. Ein Verlust von fünf Prozentpunkten zum Vorjahr. Nur 16 Prozent halten dies noch für sehr wichtig.
Hohe Preise und Fachkräftemangel setzen der Baubranche zu
Vor allem die Folgen des Ukraine-Kriegs treiben die Preise von Baumaterialien. 61 Prozent der befragten Unternehmen geben einen sehr hohen Einfluss der gestiegenen Baupreise auf die Branche an. Weitere 22 Prozent einen hohen Einfluss. Es mangelt an vielen Materialien wie Stahl und Bitumen, größere Projekte wie Brücken und Autobahnen geraten ins Stocken. Die Nachfrage kann nicht befriedigt werden, neue Aufträge bleiben teils aus: Das statistische Bundesamt vermeldet einen Auftragsrückgang um real 16,4 Prozent im April 2022 – der größte Rückgang seit 2012. Für das Gesamtjahr prognostiziert die Branche nur noch ein mageres Umsatzplus von 6,8 Prozent im Vergleich zu 2021. Eine Entspannung der Lieferengpässe wird vorerst nicht erwartet, auch für 2023 wird nur eine vierprozentige Umsatzsteigerung erwartet. Damit liegt die Bauwirtschaft unter dem Branchendurchschnitt (2022: 8,1%, 2023: 6,6%).
Gefragt nach den Themen, die das Management gerade mit Hochdruck bearbeitet, nennen die Befragten wenig überraschend an erster Stelle die Bewältigung der Preissteigerungen, gefolgt von der Rekrutierung dringend benötigter Fachkräfte sowie einer resilienten Aufstellung von Lieferketten. Strategien zum Bezug nachhaltiger Materialien landen erst an vierter Stelle. Nur 37 Prozent der Befragten räumen diesem Thema aktuell eine sehr hohe Relevanz ein. Ebenso wenige sagen dies in Bezug auf die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft (Cradle-to-Cradle) sowie die Optimierung der Energieeffizienz. Dabei haben einige Bauunternehmen gar keine so schlechte Ausgangsposition, da sie bereits vor der Krise einen guten Teil ihrer „Hausaufgaben“ in Sachen nachhaltiger Aufstellung gemacht haben. So setzen bereits 34 Prozent Maßnahmen aus einem entwickelten Nachhaltigkeitszielbild um. Branchenübergreifend sind es nur 29 Prozent. Doch haben 44 Prozent der Unternehmen aus Building & Construction noch gar kein Zielbild definiert.
Kommentare des Studienleiters
„Auch wenn es einen Kraftakt bedeutet, sollten die Unternehmen strategisch wichtige Nachhaltigkeitsthemen wie den Bezug nachhaltiger Baustoffe oder die Kreislaufwirtschaft trotz akuter Baustellen jetzt angehen, sonst sucht sich der Wettbewerb die besten Partnerunternehmen und Fachkräfte in diesem strategischen Kernthema“, sagt Ralf Rauter, Studienleiter und Partner bei Horváth. „Digitalisierung und Nachhaltigkeit treiben sich wechselseitig und sollten daher integriert bearbeitet werden“, so Horváth-Experte Ralf Sauter außerdem.
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