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Behinderungen durch Corona-Pandemie

21.12.2022

Will sich ein Werkunternehmer unter Berufung auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie vom eingetretenen Bauverzug entlasten, so hat er im Einzelnen darzulegen, wie sich der von ihm nicht zu verantwortende Umstand im Einzelnen auf den Herstellungsprozess ausgewirkt und diesen verzögert hat ("bauablaufbezogene Darstellung").Dies hat das Kammergericht mit Urteil vom 24.05.2022 (AZ.: 21 U 156/21) entschieden.

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RA Michael Werner

Der Fall:
AN, ein Bauträger, verspricht AG die bezugsfertige Herstellung einer Wohnung, die AG vermieten will, bis zum 30.06.2018. Tatsächlich kann AN die Wohnung erst am 06.07.2020 übergeben. AG verlangt Mietausfall und Bereitstellungszinsen in Höhe von gut 28.800,00 EUR als Verzögerungsschaden. AN wendet ein, ab März 2020 hätten die von ihm beauftragten Handwerker mangels einer Einreiseerlaubnis die Wohnung nicht fertigstellen können.

Das Urteil:
AG erhält vollen Schadensersatz! Es war eine Übergabe zum 30.06.2018 vertraglich vereinbart, folglich befand sich AN ab diesem Zeitpunkt mit der Übergabe im Verzug. Der Verzug endete erst im Juli 2020. Zwar habe AN die Verspätung seiner Leistung nicht zu verantworten, soweit sie auf eine schwerwiegende und nicht vorhersehbare Änderung der wirtschaftlichen, politischen oder sozialen Rahmenbedingungen zurückgeht und für ihn unabwendbar ist. Für diesen Fall hat bei einem VOB/B-Vertrag ein Unternehmer Anspruch auf Verlängerung der Ausführungsfristen, § 6 Abs. 2 Nr. 1c VOB/B. Zwar sei es grundsätzlich denkbar, dass aufgrund von Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie Arbeitskräfte nicht aus dem Ausland nach Deutschland einreisen konnten oder Baumaterialien nicht geliefert werden konnten. Allerdings genügt es nicht, derartige Erschwernisse abstrakt darzustellen. Vielmehr muss AN konkret darlegen, wie sich dieser Umstand auf den Ablauf des Bauvorhabens auswirkte. Den Anforderungen an eine solche "bauablaufbezogene Darstellung" genügte der Sachvortrag des AN nicht, obwohl das Gericht einen entsprechenden Hinweis erteilt hatte.

Fazit:
Grundsätzlich erkennt das Kammergericht an, dass es sich bei den Auswirkungen der Corona-Pandemie um "höhere Gewalt" handeln kann, die auch dazu führen kann, dass der Unternehmer den eingetretenen Verzug nicht zu vertreten hat. Es reicht allerdings nicht, sich nur abstrakt darauf zu berufen. Vielmehr muss man konkret darlegen, welche Umstände der Corona-Pandemie sich wie auf den Bauablauf ausgewirkt habe. Im vorliegenden Fall konnte sich die Corona-Pandemie ohnehin nur teilweise auf den eingetretenen Verzug auswirken, denn der Verzug bestand bereits seit Mitte 2018, die Corona-Pandemie hingegen begann erst Anfang 2020. Deshalb ist es auch fraglich, ob sich AN überhaupt auf höhere Gewalt berufen kann, wenn der Verzug bereits vorher eingetreten ist, denn der später eintretende Wegfall des Verschuldens führt nicht "automatisch" zum Wegfall des Verzuges.

  Quelle: RA Michael Seitz


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