von RA Michael Werner
Die Vergabekammer (VK) Westfalen hat mit Beschluss vom 26.01.2016 – VK 1-44/15 – u.a. Folgendes entschieden:
• Will eine Vergabestelle einen Bieter wegen angeblicher Quersubventionierung mit seinem Angebot ausschließen und widerspricht der Bieter dieser Auffassung der Vergabestelle, so muss die Vergabestelle diesen Widerspruch im Rahmen eines Aufklärungsverfahrens versuchen, aufzuklären.
• Die Kalkulation ist Sache der Bieter und ein öffentlicher Auftraggeber hat keine Rechtsgrundlage dafür, seine eigenen betriebswirtschaftlichen Kalkulationsüberlegungen an die Stelle der Kalkulation der Bieter zu setzen.
Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Unterhalts- und Glasreinigungsarbeiten in einem Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb nach der SektVO europaweit ausgeschrieben. Gegenstand der Leistung war u.a. die Reinigung einer großen Anzahl von Trafohäuschen, die nacheinander abgefahren und einmal monatlich gereinigt werden sollten. In der Leistungsbeschreibung hieß es dazu: „Bei der Unterhaltsreinigung in den Außenstellen sind die Fahrt- und Rüstzeiten u.U. höher anzusetzen als die produktive Reinigungszeit…. Es besteht die Möglichkeit, für die Außenstellen einen gesonderten Stundenverrechnungssatz zu kalkulieren und anzusetzen.“ Bieter A hatte ein Angebot abgegeben, das vom AG mit der Begründung ausgeschlossen wurde, dass „im Rahmen der angesetzten kalkulatorischen Positionen Indizien für eine möglicherweise vorliegende Mischkalkulation ausgewiesen seien“. Dagegen wehrte sich A vor der VK.
Die VK gibt Bieter A Recht. Der Ausschluss seines Angebotes war gemäß § 26 SektVO i.V.m. § 19 Abs. 6 Satz 2 EG-VOL/A nicht gerechtfertigt. Auch bei Vergaben nach der SektVO dürfe auf Angebote, deren Preise im offenbaren Missverhältnis zur Leistung stünden, der Zuschlag nicht erteilt werden. Insofern könne auf Rechtsprechung und Literatur zur VOB/A und VOL/A zurückgegriffen werden. Nach der Rechtsprechung seien Angebote von der Wertung auszuschließen, die auf einer Mischkalkulation beruhten, d.h. bei der durch sog. „Abpreisen“ bestimmter Leistungen und sog. „Aufpreisen“ anderer angebotener Positionen Preise benannt würden, die die für die jeweiligen Leistungen geforderten tatsächlichen Preise weder vollständig noch richtig wiedergäben. Insbesondere wenn Bieter die von ihnen für bestimmte einzelne Leistungspositionen kalkulierten Preise nicht offenlegten, sondern - mitunter zu Manipulationszwecken – Kostenfaktoren in anderen Positionen ganz oder teilweise versteckten, sei die Vergleichbarkeit der Angebote nicht mehr gegeben (BGH, Beschluss vom 18.04.2004 – X ZB 7/04). Hier habe A dem – nicht näher konkretisierten – Vorwurf des AG, es läge eine unzulässige Mischkalkulation vor, widersprochen. Der AG habe das Angebot des A dennoch ausgeschlossen und dies lediglich auf die Vermutung „möglicherweise vorliegende Mischkalkulation“ bezüglich einer sog. „Quersubventionierung“ gestützt. Trotz Aufforderung durch die VK habe der AG die Vermutungen hinsichtlich der „Quersubventionierung“ nicht konkret und nachvollziehbar dargelegt. Der Ausschluss eines Angebots allein aufgrund einer Vermutung sei jedoch unzulässig. Der Auftraggeber dürfe nicht einfach ohne Weiteres Angebote von der Wertung ausnehmen, ohne den vom Ausschluss bedrohten Bieter zuvor zu einer Aufklärung über den Inhalt seines Angebots aufgefordert und ihm Gelegenheit gegeben zu haben, den Tatbestand der Widersprüchlichkeit (hier also der Quersubventionierung) nachvollziehbar auszuräumen. Darüber hinaus habe der Bieter seine Preise nur kalkulationsgemäß anzugeben und dabei etwaige – zulässige – Kalkulationsvorgaben des AG zu beachten, was hier der Fall gewesen sei. Aus der BGH-Rechtsprechung ergebe sich, dass die interne Kalkulation nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen allein Sache des Bieters sei. Wenn ein AG die Aufschlüsselung von Preisen fordere, habe der Bieter darzulegen, wie es zu der Preisangabe komme. Der Bieter müsse somit zutreffend und wahrheitsgemäß seine Preise kalkulieren und im Wettbewerb erläutern können. Ein öffentlicher AG habe aber keine Rechtsgrundlage dafür, seine eigenen betriebswirtschaftlichen Kalkulationsüberlegungen an die Stelle der Kalkulation des Bieters zu setzen.
RA Michael Werner
Partner in der Kanzlei ZIRNGIBL LANGWIESER Rechtsanwälte Partnerschaft mbB
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Anmerkung: Wie die Entscheidung zeigt, genügt seitens des AG keineswegs der bloße Hinweis oder die Vermutung einer „Quersubventionierung“. Stellt der AG einen solchen „Tatbestand der Widersprüchlichkeit“ fest, ist er verpflichtet, dem Bieter Gelegenheit zur Aufklärung zu geben. Will ein AG also einen Bieter wegen sog. „Quersubventionierung“ und damit wegen unzulässiger Mischkalkulation ausschließen, hat er dies nicht nur zu vermuten, sondern tatsächlich anhand der – vom Bieter vorzulegenden Kalkulation – nachzuweisen.
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