Das OLG Brandenburg hat mit Beschluss vom 03.11.2014 – Verg W 9/14 – Folgendes entschieden:
• Wird eine Leistung angeboten, die nicht der nach den Vergabeunterlagen geforderten Leistung entspricht, stellt dies eine Änderung der Vergabeunterlagen dar, die zwingend den Ausschluss des Angebots zur Folge hat.
• Ist für den Auftraggeber nicht erkennbar, dass dem Bieter bei der Eintragung der Produktbezeichnung ein Schreibfehler unterlaufen ist, kann er davon ausgehen, dass ein angebotenes Betonsteinpflaster mit den Abmessungen 40 x 20 x 10 cm nicht der mit den Abmessungen 40 x 24 x 10 cm geforderten Leistung entspricht.
Ein öffentlicher Auftraggeber hatte ein Bauvorhaben im Offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Laut Aufforderung zur Angebotsabgabe war mit dem Angebot das LV einzureichen; danach war auch die Verwendung eines selbstgefertigten LV (Abschrift oder Kurzfassung) zugelassen. Im einzureichenden LV hatten die Bieter für verschiedene Leistungen, darunter die Position „Fläche aus Betonsteinpflaster Typ X…. Rastermaß 40 x 24 x 10 cm“ den Hersteller und das Produkt zu bezeichnen.
Bieter A hatte das günstigste Angebot eingereicht. Diesem war ein mit handschriftlichen Eintragungen versehener Auszug des LV sowie eine selbstgefertigte Kurzfassung des LV mit Preisangaben beigefügt. In dem eingereichten Auszug des LV hatte A zur entsprechenden Position unter Produkt „Pasand 40 x 20 x 10 cm“ eingetragen. Nachdem der AG diese Abweichung im Angebot festgestellt hatte, wandte er sich an den im Angebot bezeichneten Hersteller und erhielt von diesem folgende Mitteilung: „Das Format 40/24/10 gehört nicht zu unserem Lieferprogramm, sodass wir für o.g. Bauvorhaben alternativ das Format 40/20/10 angeboten haben.“
Darauf schloss der AG das Angebot des A wegen unzulässiger Änderung der Vergabeunterlagen aus. Hiergegen wehrt sich A.
Nach Ansicht des OLG wurde das Angebot des A zurecht gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 Ziff. b) i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A ausgeschlossen, weil A in der Position „Fläche aus Betonsteinpflaster Typ X …. Rastermaß 40 x 24 x 10 cm“ nicht die geforderte Leistung angeboten habe. Dies stelle eine Änderung der Vergabeunterlagen dar, die zwingend den Ausschluss zur Folge habe. Das Angebot eines Bieters sei eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Die Auslegung einer solchen habe grundsätzlich nur anhand solcher Umstände zu erfolgen, die dem Empfänger bei Zugang der Willenserklärung erkennbar waren. Aus der danach maßgeblichen Sicht des AG war das Angebot des A so zu verstehen, dass er in der entsprechenden Position Betonsteinpflaster mit den Abmessungen 40 x 20 x 10 cm und damit nicht die mit den Abmessungen 40 x 24 x 10 cm geforderte Leistung angeboten habe. Soweit A geltend mache, hier handele es sich lediglich um einen Schreibfehler, sei dies unbeachtlich. Vom Vorliegen eines Schreibfehlers habe der AG aufgrund der ihm gegebenen Erkenntnismöglichkeiten bei Zugang des Angebotes nicht ausgehen können.
Auch die Erklärung des Herstellers des Betonsteinpflasters spreche eindeutig dafür, dass A das im LV eingetragene Produkt mit den anderen Abmessungen (40 x 20 x 10 cm) auch tatsächlich habe anbieten wollen. Daran ändere auch nichts, dass die von A später ergänzend eingeholte Auskunft des Herstellers das Gegenteil besagt habe, in dem dieser mitgeteilt habe, dass er „nach nochmaliger Prüfung“ das geforderte Format nun doch anbieten könne. Hier komme es nicht darauf an, ob die vom AG unmittelbar nach Angebotsöffnung vorgenommene Recherche beim Hersteller als Maßnahme der Aufklärung des Angebotsinhalts gemäß § 15 VOB/A-EG anzusehen sei oder eine bloße Nachschau zur Identifizierung des angebotenen Produkts. Ein Anspruch des Bieters auf Aufklärung des Angebotsinhalts bestehe nach § 15 VOB/A-EG grundsätzlich nicht und dabei schon unter keinen Umständen dahingehend, das Angebot nachträglich zu ändern. Die Aufklärung diene allein der weitergehenden Information des AG; sie sei nicht zulässig, um ein von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abweichendes Angebot erst ausschreibungskonform zu machen. Sowohl das Transparenzgebot als auch der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bieter verlangten, dass nur der Inhalt der eingereichten Angebote zur Grundlage der Vergabeentscheidung gemacht werde. Bereits deshalb könne eine Aufklärung dem Bieter nicht die Möglichkeit eröffnen, sein Angebot „nachzubessern“.
RA Michael Werner
Partner in der Kanzlei ZIRNGIBL LANGWIESER Rechtsanwälte Partnerschaft
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Anmerkung: Die Entscheidung zeigt erneut die formale Strenge des Vergaberechts. Selbst ein bloßer Schreibfehler kann durchaus dazu führen, dass das Angebot ausgeschlossen wird. Gerade wenn ein Auftraggeber – wie hier – die Abschrift oder Kurzfassung seines LV zulässt, müssen die Bieter noch sorgfältiger prüfen, dass ihnen dabei keine Fehler unterlaufen.
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