Die Vergabekammer (VK) Nordbayern hat mit Beschluss vom 21.12.2021 – RMF-SG-21-3194-6-42 – u.a. folgendes entschieden: 1. Weicht die Ausführungsvariante eines Bieters von den Vorgaben des Amtsentwurfs ab, ist dies als Hauptangebot unzulässig. Das Angebot ist wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 VOB/A auszuschließen. 2. Zur Ermittlung, ob eine Änderung an den Vergabeunterlagen vorliegt, muss der Inhalt der Vergabeunterlagen bestimmt werden, der mit dem Inhalt des Angebots verglichen wird. Der Inhalt der Vergabeunterlagen ist aus der objektiven Sicht eines verständigen und fachkundigen Bieters, der mit der Erbringung der ausgeschriebenen Leistung vertraut ist, auszulegen. 3. Ein Angebot kann als Nebenangebot nicht gewertet werden, wenn es die formellen Voraussetzungen nicht erfüllt. Nach § 13 EU Abs. 3 Satz 2 VOB/A 2019 müssen Nebenangebote auf besonderer Anlage erstellt und als solche deutlich gekennzeichnet werden. Nach § 16 EU Nr. 7 VOB/A 2019 sind Nebenangebote auszuschließen, die dem § 13 EU Abs. 3 Satz 2 VOB/A 2019 nicht entsprechen.
Ein öffentlicher Auftraggeber(AG) hatte die Errichtung von Behelfsbrücken im Offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis, Nebenangebote waren zugelassen. Zu den Nebenangeboten hieß es in den Bewerbungsbedingungen: „Soweit Nebenangebote zugelassen sind, müssen Sie die geforderten Mindestanforderungen erfüllen. Sie müssen als solche gekennzeichnet sein, ihre Anzahl ist an der dafür vorgesehenen Stelle aufzuführen.“ In der Baubeschreibung war u.a. vorgeschrieben, dass die Behelfsbrücke in Längsrichtung einzuschieben war. Im folgenden gaben 3 Bieter Angebote ab. Bieter A gab ein Hauptangebot und 4 Nebenangebote ab; nach Submission lag sein Angebot an erster Stelle. In seinem Angebot findet sich folgender Hinweis: " Bei dem Amtsentwurf und allen Nebenangeboten wird der Überbau wegen der unzureichenden Platzverhältnisse nicht wie ausgeschrieben eingeschoben, sondern eingehoben." Darauf teilte ihm der AG mit, dass sein Angebot nicht gewertet werden könne, da er das Bauverfahren in unzulässiger Weise geändert habe. Nach Rüge beantragt A Nachprüfung zur VK. Die VK gibt hier dem AG Recht. Der AG habe das Angebot des A zu Recht gem. § 16 EU Nr. 2 i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 VOB/A ausgeschlossen, da die Ausführungsvariante des A von den Vorgaben des Amtsentwurfs abweiche und deshalb als Hauptangebot unzulässig sei. Sowohl in der Baubeschreibung als auch im LV sei ein Einschieben des Brückenüberbaues vorgegeben. In seinem Begleitschreiben zum Angebot habe A klar zu erkennen gegeben, dass er vom Amtsentwurf abweichen und den Überbau nicht einschieben, sondern habe einheben wollen. Dadurch weiche er eindeutig vom Amtsentwurf ab. § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 VOB/A untersage dem Bieter Änderungen an den Verdingungsunterlagen. Ändere der Bieter die Verdingungsunterlagen, sei sein Angebot nach § 16 EU Nr.2 VOB/A von der Wertung als Hauptangebot zwingend auszuschließen. Das Verbot von Änderungen an den Verdingungsunterlagen trage dem Umstand Rechnung, dass ein echter fairer Wettbewerb nach Angeboten verlange, die vergleichbar seien. Diese Vergleichbarkeit sollte grundsätzlich ohne weiteres gegeben sein. Dies sei nur dann sichergestellt, wenn die Angebote den ausgeschriebenen Leistungen und den sonstigen Bedingungen entsprächen, die der Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen bestimmt habe, und zu denen er den Vertrag abschließen wolle. Zur Ermittlung, ob eine Änderung an den Vergabeunterlagen vorliegt, müsse der Inhalt der Vergabeunterlagen bestimmt werden, der mit dem Inhalt des Angebots verglichen werde. Der Inhalt der Vergabeunterlagen sei dabei aus der objektiven Sicht eines verständigen und fachkundigen Bieters, der mit der Erbringung der ausgeschriebenen Leistung vertraut sei, auszulegen. Nach Überzeugung der VK sei hier in der Baubeschreibung ein Einschieben der Brücke als Hauptangebot zwingend vorgegeben gewesen. Ein Abweichen von dieser zwingenden Vorgabe sei nur im Rahmen eines Nebenangebotes möglich gewesen. Aus der Baubeschreibung geht unter Ziffer 1.5 "Mindestbedingungen für Nebenangebote" klar hervor, dass eine Änderung des Bauverfahrens (z.B. Einheben statt Einschieben) nur als Nebenangebot unterbreitet werden könne. Daraus werde deutlich, dass sich die Ausführungsvariante des A nicht innerhalb des Spielraums bewege, den der AG für ein Hauptangebot eröffnet habe. Dies bedeute, dass die von A vorgeschlagene Änderung des Bauverfahrens nur als Nebenangebot zugelassen sei. Das Angebot des A könne aber auch als Nebenangebot nicht gewertet werden, weil es die formellen Voraussetzungen nicht erfülle. Nach § 16 EU Nr. 7 VOB/A seien Nebenangebote auszuschließen, die dem § 13 EU Abs. 3 Satz 2 nicht entsprächen. Nach 13 EU Abs. 3 Satz 2 VOB/A müssten Nebenangebote auf besondere Anlage erstellt und als solche deutlich gekennzeichnet werden. Diese Voraussetzungen erfülle das Angebot des A jedoch nicht, mit der Rechtsfolge, dass das Angebot zwingend ausgeschlossen werden müsse. Zudem müsse nach den Bewerbungsbedingungen die Gleichwertigkeit mit dem Nebenangebot nachgewiesen werden. Der Bieter habe danach die in Nebenangeboten enthaltenen Leistungen eindeutig und erschöpfend zu beschreiben. Soweit der Bieter eine Leistung anbiete, deren Ausführung nicht in den Verdingungsunterlagen geregelt sei, habe er im Angebot entsprechende Angaben über die Ausführung dieser Leistung zu machen. A habe zwar im Begleitschreiben angekündigt, dass der Überbau wegen der unzureichenden Platzverhältnisse nicht wie ausgeschrieben eingeschoben, sondern eingehoben werde. Die zu fordernde eindeutige und erschöpfende Beschreibung der Leistung werde dadurch aber nicht erreicht. Es könne nicht geprüft werden, ob die Ausführungsvariante überhaupt durchführbar und zum Amtsentwurf gleichwertig sei.
Anmerkung: Auf Basis dieser Entscheidung lässt sich folgendes allgemein festhalten: • Ein Hauptangebot darf nicht von den Vorgaben in den Vergabeunterlagen, insbesondere nicht von denen der Leistungsbeschreibung abweichen, wenn der Bieter nicht den Ausschluss seines Angebotes riskieren will.
• Eine Umdeutung in ein Nebenangebot ist zwar grundsätzlich möglich, wenn die Mindestanforderungen erfüllt werden, die der Auftraggeber an Nebenangebote stellt. Um aber einen diesbezüglichen Ausschluss zu vermeiden, muss das Nebenangebot einmal die notwendigen formalen Anforderungen erfüllen; daneben hat der Bieter inhaltlich die Gleichwertigkeit mit dem Amtsentwurf nachzuweisen. |