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Zur Nachforderung von Unterlagen: Bieter haben nur einen Schuss!

06.09.2022

 

Die Vergabekammer (VK) Bund hat mit Beschluss vom 10.03.2022 –VK 1-23/22 – u.a. folgendes entschieden:

1. Hat der Auftraggeber nachgeforderte Referenzen inhaltlich geprüft und für unzureichend erachtet, darf er den Bieter kein weiteres Mal zur Nachreichung von Referenzen auffordern.
2. Eine Nachforderung ist nur bei fehlenden, also in formaler Hinsicht nicht den ausgeschriebenen Anforderungen entsprechenden Unterlagen möglich, jedoch nicht, wenn diese Unterlagen in inhaltlicher Hinsicht nicht passen.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Putz- und Stuckarbeiten im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Zum Beleg der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit war in der Bekanntmachung u.a. vorgesehen, dass mindestens drei geeignete Referenzen über Putz-und Stuckarbeiten einzureichen waren, die nicht älter als 5 Jahre (12/2016) zurückliegen durften. Da dem Angebot des Bieters A keine Referenzen beigefügt waren, forderte der AG den A am 26. Januar 2022 auf, bis spätestens 01. Februar 2022 drei den Mindestanforderungen entsprechende Referenzen vorzulegen. Am 28. Januar 2022 übersandte A darauf 9 Referenzen, von denen nur eine die bekanntgemachten Mindestanforderungen erfüllte. Nachdem ihn der AG am 31. Januar 2022 hierauf aufmerksam gemacht hatte, übersandte A am selben Tag 6 weitere Bescheinigungen, die die Anforderungen erfüllten. Am 09.02.2022 informierte der AG den A, dass sein Angebot wegen Zweifel an seiner Eignung ausgeschlossen werde und der Zuschlag an B erteilt werden solle. Nach erfolgloser Rüge beantragte A Nachprüfung.

Die VK Bund gibt dem AG Recht. Dieser habe die Mindestanforderungen an die Referenzen gem. § 122 Abs. 4 GWB ordnungsgemäß aufgestellt und bekanntgemacht. Diese wirksam aufgestellten Eignungsanforderungen habe A nicht erfüllt, weil er die Referenzen nicht mit seinem Angebot und auch nicht auf die Nachforderung des AG hin vorgelegt habe. Die weiteren, am 31. Januar 2022 vorgelegten Referenzen habe der AG zu Recht nicht berücksichtigt.
A habe mit seinem Angebot unstreitig überhaupt keine Referenzen vorgelegt. Der AG habe A daraufhin am 26.Januar 2022 gemäß § 16a EU VOB/A aufgefordert, bis zum 01. Februar 2022 Referenzen vorzulegen. Durch die am 28. Januar 2022 erfolgte Nachreichung von 9 Referenzen habe A sein Angebot vervollständigt. In rein formaler Hinsicht habe A damit die Eignungsanforderungen des AG zwar erfüllt. Ob die vorgelegten Referenzen inhaltlich den bekannt gemachten Anforderungen entsprächen, sei jedoch im Rahmen der sog. materiellen Eignungsprüfung festzustellen. Hier sei der AG zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass von den 9 Referenzen des A nur eine einzige der wirksam festgelegten Mindestanforderung (hier konkret: Leistungsende nicht früher als 12/2016) entspreche und nicht wie gefordert mindestens drei Referenzen.
Die weiteren von A vorgelegten Referenzen habe der AG nicht berücksichtigen dürfen, auch wenn diese den Mindestanforderungen an den Leistungszeitraum und die Mindestanzahl geeigneter Referenzen entsprochen hätten.
Denn A habe durch die Vorlage von 9 Referenzen am 28. Januar 2022 sein Angebot bereits in formaler Hinsicht ausreichend vervollständigt. Der durch das Schreiben des AG vom 26. Januar 2022 ausgelöste Nachforderungsvorgang sei damit am 28. Januar 2022 durch die Nachreichung der Referenzen durch A bzw. spätestens durch die Prüfung dieser Referenzen auf deren inhaltliche Richtigkeit hin durch den AG am 31. Januar 2022 abgeschlossen gewesen. Damit liefe auch die vom AG bis zum 01. Februar 2022 gesetzte Nachforderungsfrist nicht mehr. A habe diese nicht bis zum Ende ausgeschöpft (wozu er selbstverständlich ohne Weiteres berechtigt gewesen sei: "spätestens" zum 01.02.2022), sondern sei ihr bereits einige Tage zuvor nachgekommen. Diese Fristverkürzung sei allein auf das Handeln des A selbst zurückzuführen, indem er die Aufforderung des AG bereits am 28. Januar 2022 erfüllt habe – der AG habe hierzu nichts beigetragen.
Abgesehen davon, dass somit die Nachreichungsfrist zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr gelaufen sei, wäre A auch sonst nicht berechtigt gewesen, nach der ersten Vorlage am 28. Januar 2022 dem AG am 31.Januar 2022 weitere Referenzen vorzulegen.
Denn nachdem der AG die ersten von A am 28. Januar 2022 vorgelegten Referenzen inhaltlich geprüft und (zu Recht) für unzureichend erachtet hätte, habe der AG den A kein weiteres Mal zur Nachreichung von Referenzen auffordern dürfen. Eine Nachforderung wäre nur bei fehlenden, also in formaler Hinsicht nicht den ausgeschriebenen Anforderungen entsprechenden Unterlagen möglich, jedoch nicht, wenn diese Unterlagen - wie hier - in inhaltlicher Hinsicht nicht passend seien. Denn jede weitere Vorlage "passenderer" Referenzen wäre eine Nachbesserung des Angebots. Solche Nachbesserungen des Angebotsinhalts seien aber vergaberechtlich unzulässig, weil sie den Grundsätzen der Gleichbehandlung und Transparenz widersprächen. Unabhängig also davon, ob A aus Anlass der Mitteilung des AG vom 31. Januar 2022 sechs weitere Referenzen vorgelegt habe oder weil ihm selbst aufgefallen wäre, dass die bisher vorgelegten Referenzen unzureichend gewesen seien, durfte er dem AG solche weiteren Referenzen nicht vorlegen.

Anmerkung:

Die Entscheidung ist deshalb von besonderem Interesse, da sie die Frage, ob ein Bieter im Falle, dass die von ihm nachgereichten Unterlagen den Mindestanforderungen nicht entsprechen, innerhalb der noch laufenden Nachforderungsfrist weitere Unterlagen nachreichen darf, eindeutig mit „Nein“ beantwortet. Hat der Bieter auf Nachforderung des AG einmal Nachweise nachgereicht, hat er keinen „zweiten Versuch“ mehr. Dies entspricht auch der Rechtsprechung, wonach die ursprünglich eingereichten Unterlagen inhaltlich nicht mehr nachgebessert werden dürfen, wenn zunächst unzureichende Unterlagen (wie z.B. Referenzen) eingereicht wurden (siehe VK Südbayern, B. v. 27.02.2019 - Z3-3-3194-1-44-11/18). Mit anderen Worten: Ist auf Nachforderung der „erste Schuss“ des Bieters ungenügend, d.h. legt der Bieter innerhalb der Nachforderungsfrist eine inhaltlich unzureichende Unterlage vor, ist sein Angebot zwingend auszuschließen.

 

  Quelle: RA Michael Werner


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